Der Kampf mit dem Dämon
läßt«. Eine Musik nicht des Chaos (das glüht in ihm selbst), sondern des siebenten Schöpfungstages, da alles ruht und nur die Sphären ihren Gott heiter preisen, Musik als Rast: »Nun, da ich im Hafen bin: Musik, Musik!«
Leichtigkeit, das ist Nietzsches letzte Liebe, sein höchstes Maß an allen Dingen. Was leicht macht, was gesundet, ist gut: in Kost, in Geist, in Luft, in Sonne, in Landschaft, in Musik. Was schweben macht, was die Dumpfheit und Dunkelheit des Lebens, die Häßlichkeit der Wahrheit vergessen hilft, das allein schenkt Gnade. Darum diese letzte, diese späte Liebe zur Kunst, als der »Ermöglicherin des Lebens«, als »großer Stimulans zum Leben«. Musik, helle, erlösende, leichte Musik, wird von nun ab das geliebteste Labsal des tödlich Aufgeregten. »Das Leben ohne Musik ist einfach eine Strapaze, ein Irrtum.« Ein Fieberkranker kann nicht wilder mit zersprungenen, brennheißen Lippen nach Wasser verlangen, als er in seinen letzten Krisen nach ihrem silbernen Trank: »Ob schon je ein Mensch solchen Durst nach Musik gehabt hat?« Sie ist seine letzte Rettung, seine Rettung vor sich selbst: darum auch dieser apokalyptische Haß gegen Wagner, der durch Narkotika und Stimulantia ihre kristallene Reinheit getrübt, darum dies Leiden »am Schicksal der Musik wie an einer offenen Wunde«. Alle Götter hat der Einsame verstoßen, nur dies will er sich nicht rauben lassen, sein Nektar und Ambrosia, das die Seele erfrischt und ewig verjüngt. »Die Kunst und nichts mehr als die Kunst – wir haben die Kunst, daß wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.« Mit dem klammernden Griff des Ertrinkenden heftet er sich an sie, an die einzige Macht des Lebens, die nicht der Schwere unterliegt, daß sie ihn fasse und auftrüge in ihr seliges Element.
Und Musik, sie beugt sich, die erschütternd Beschworene, gütig herab und umfängt seinen stürzenden Leib. Alle habenden Fiebernden verlassen; die Freunde sind längst gegangen, die Gedanken immer fernab am Wege, immer auf waghalsiger Wanderschaft: nur sie begleitet ihn bis in seine letzte, seine siebente Einsamkeit. Was er berührt, berührt sie mit ihm; wo er spricht, tönt ihre klare Stimme mit: gewaltsam reißt sie den gewaltsam Hinabgezogenen immer wieder empor. Und wie er endlich stürzt, wacht sie noch über seiner erloschenen Seele; Overbeck, der zu dem geistig Geblendeten ins Zimmer tritt, findet ihn am Klavier, mit zuckenden Händen noch hohe Harmonien suchend, und wie sie den Verstörten heimbringen, singt er in erschütternden Melodien auf der ganzen Fahrt sein Gondellied. Bis hinab ins Dunkel des Geistes begleitet ihn die Musik, Tod und Leben ihm durchwaltend mit ihrer dämonischen Gegenwart.
Die siebente Einsamkeit
Ein großer Mensch wird gestoßen,
gedrückt, hinaufgemartert zu seiner
Einsamkeit.
»O Einsamkeit, du meine Heimat Einsamkeit« – aus der Gletscherwelt der Stille tönt dieser schwermütige Gesang. Zarathustra dichtet sich sein Abendlied, sein Lied vor der letzten Nacht, sein Lied von der ewigen Heimkehr. Denn Einsamkeit, war sie nicht immer des Wanderers einzige Heimstatt, sein kalter Herd, sein steinernes Dach? In unzähligen Städten ist er gewesen, auf unendlichen Fahrten des Geistes; oft hat er versucht, ihr zu entweichen in der anderen Land – aber immer kehrt er zu ihr zurück, verwundet, ermattet, enttäuscht, zu seiner »Heimat Einsamkeit«.
Aber da sie immer mit ihm gewandert, dem Wandelbaren, hat sie sich selber gewandelt, und er erschrickt nun, wie er ihr ins Antlitz blickt. Denn sie ist ihm allzu ähnlich geworden im langen Beieinandersein, härter, grausamer, gewalttätiger gleich ihm selbst, sie hat das Wehetun gelernt und das Wachstum ins Gefährliche. Und wenn er sie zärtlich noch Einsamkeit nennt, seine alte, geliebte, gewohnte Einsamkeit, so ist es längst ihr Name nicht mehr: sie heißt Vereinsamung,diese letzte, diese siebente Einsamkeit, und ist kein Alleinsein mehr, sondern ein Alleingelassensein. Denn es ist furchtbar leer geworden um den letzten Nietzsche, grauenhaft still: kein Eremit, kein Wüstenanachoret, kein Säulenheiliger war so verlassen; denn sie, die Fanatiker ihres Glaubens, haben noch ihren Gott, dessen Schatten in ihrer Hütte wohnt und von ihrer Säule fällt. Er aber, »der Mörder Gottes«, hat nicht Gott und nicht Menschen mehr: je mehr er sich selbst gewinnt, um so mehr hat er die Welt verloren; je weiter er wandert, desto weiter wächst »die Wüste« um ihn. Sonst verstärken die
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