Der Kampf mit dem Dämon
ihm weihen, muß sich ihm opfern. Hölderlins Auffassung von der Poesie isteine sakrale: der Wahre, der Berufene muß alles darbringen, was die Erde den andern zuteilt, für die Gnade, dem Göttlichen nahe sein zu dürfen, er muß, der Diener der Elemente, selbst unter ihnen wohnen in der heiligen Ungewißheit und der läuternden Gefahr. Von erster Stunde erfaßt Hölderlins Sinn die Notwendigkeit des Unbedingten: noch ehe er das Stift verläßt, ist er entschlossen, nicht Pfarrer zu werden, niemals dauernd an irdische Existenz sich zu binden, sondern einzig »Hüter der heiligen Flamme« zu sein. Er weiß nicht den Weg, aber er kennt sein Ziel. Und aller Fährlichkeiten seiner Lebensschwäche mit wunderbarer Stärke des Geistes bewußt, ruft er sich selbst seligsten Trost zu:
Sind denn dir nicht verwandt alle Lebendigen,
Nährt die Parze denn nicht selber im Dienste dich?
Drum, so wandle nur wehrlos
Fort durchs Leben, und fürchte nichts!
Was geschiehet, es sei alles gesegnet dir.
Und so tritt er entschlossen unter den Himmel seines Schicksals.
Aus dieser Entschlossenheit zur reinen Selbstbewahrung wächst Hölderlins selbstgewolltes Schicksal und Verhängnis. Tragik und innere Lebensnot wird ihm aber dadurch frühzeitig zugeteilt, daß er diesen heroischen Kampf zunächst nicht gegen die Gegenwelt seines Hasses, gegen die brutale Welt also, durchkämpfen muß, sondern – dem Fühlenden furchtbarste Herzensnot – gerade gegen seine liebsten und die ihn am meisten liebenden Menschen. Die wahren Widerparte seines heroischen Willens im Kampf um das Leben als Dichtung sind die zärtlich ihn liebende, die zärtlich geliebte Familie, Mutter und Großmutter, seine nächsten Menschen, die er in ihren Gefühlen nicht verwunden mag und doch früher oder später schmerzhaft zu enttäuschen genötigt ist: wie immer hat das Heldenhafte eines Menschen keinen gefährlicheren Widersacher als gerade die zärtlich Wohlmeinenden, die innig Gutmütigen, die alle Spannung gütlich beschwichtigen wollen und das »heilige Feuer« mit sorglichem Atem niederdrücken zur häuslichen Herdflamme. Und dies ist nun herrlich rührend zu sehen, wie – fortiter in re, suaviter in modo – unerschütterlich im Tiefsten und doch sanft in den Formen, dieser Demütigeseine geliebten Menschen ein ganzes Jahrzehnt lang mit Ausflüchten hinhält, sie tröstet und sich dankbar entschuldigt, daß er ihren liebsten Wunsch – Pfarrer zu werden – nicht erfüllt. Ein unbeschreibliches Heldentum des Schweigens und des Schonens ist in diesem unsichtbaren Kampf, denn was ihn zutiefst beseelt und stählt, seine dichterische Berufung, hält Hölderlin keusch, ja schüchtern verborgen. Er spricht von seinen Versen immer nur als von »poetischen Versuchen«, und das Äußerste, was er der Mutter an Erfolg verheißt, klingt nicht stolzer, als »er hoffe, doch einmal sich ihrer Gesinnung würdig zu zeigen«. Niemals pocht er auf seine Versuche, seine Erfolge, im Gegenteil, immer deutet er an, daß er erst am Anbeginn sei. »Ich bin mir tief bewußt, daß die Sache, der ich lebe, edel, und daß sie heilsam für die Menschen ist, sobald sie zu einer rechten Äußerung und Ausbildung gebracht ist.« Aber die Mutter und Großmutter fühlen von ferne hinter den demütigen Worten immer nur die Tatsache, daß er ohne Haus und Stellung leer und fremd in der Welt sinnlosen Phantasmen nachtreibt. Die beiden Witwen, sie sitzen tagein und tagaus in ihrer kleinen Stube in Nürtingen, sie haben jahre- und jahrelang die kleinen Silberstücke an Speise und Kleidung und Kienspan gespart, um den geweckten Knaben studieren lassen zu können. Beglückt lesen sie seine ehrerbietigen Briefe von der Schule, freuen sich mit ihm an Fortschritt und Belobung, teilen seinen Stolz auf die ersten gedruckten Verse. Und sie hoffen, da er sein Studium beendigt, werde er bald Vikar sein, eine Frau nehmen, ein sanftes blondes Mädchen, und sie werden kommen und stolz zuhören dürfen, wie er in irgendeinem schwäbischen Städtchen sonntags das Wort Gottes von der Kanzel spricht. Aber Hölderlin weiß, daß er diesen Traum zerstören muß, nur schlägt er ihn nicht hart entzwei in den teuren Händen – sanft, doch eindringlich schiebt er alle Mahnung an diese Möglichkeit zurück. Er weiß, daß er vor ihnen trotz aller Liebe im Verdacht eines Müßiggängers steht, und versucht ihnen seinen Beruf zu erklären, schreibt ihnen, »daß er in einer solchen Muße nicht müßig gehe, auch nicht auf
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