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Der Kampf mit dem Dämon

Der Kampf mit dem Dämon

Titel: Der Kampf mit dem Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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brauchtdas Göttliche, um wahrhaft zu sein, den Menschen. So schafft er sich Zeugen seiner Macht, den Mund, der ihm lobsinge, den Dichter, der ihn erst wahrhaft zum Gotte macht.
    Diese Uridee der Hölderlinschen Anschauung mag – wie fast alle seine poetischen Ideen – Entlehnung sein, eine Anleihe bei dem »kolossalischen Geiste« Schillers. Aber wie geweitet ist die kalte Schillersche Erkenntnis:
    Freundlos war der große Weltenmeister,
Fühlte Mangel – darum schuf er Geister,
Sel'ge Spiegel seiner Seligkeit
    zu Hölderlins orphischer Vision von des Dichters Erweckung:
    Und unaussprechlich wär und einsam
In seinem Dunkel umsonst, der doch
Der Zeichen genug und Wetterflammen
Und Fluten in seiner Macht,
Wie Gedanken hat, der heilige Vater,
Und nirgend fand er wahr sich unter den Lebenden wieder,
Wenn zum Gesange ein Herz nicht hätt' die Gemeinde.
    Nicht also aus einer Trauer, einer müßigen Langeweile wie bei jenem erschafft sich das Göttliche den Dichter – immer waltet bei Schiller noch die Idee der Kunst als irgendeines erhabenen »Spiels« –, sondern aus einer Notwendigkeit: es ist nicht ohne den Dichter, das Göttliche, es wird erst durch ihn. Dichtung – hier tastet man an den Urkern des Hölderlinschen Ideenkreises – ist eine Weltnotwendigkeit, sie ist nicht bloß eine Kreation innerhalb des Kosmos, sondern die Erschaffung des Kosmos selbst. Die Götter senden nicht aus Spieltrieb den Dichter, sondern aus Notwendigkeit: sie brauchen ihn, den »Gesandten des strömenden Worts«:
    Es haben aber an eigner
Unsterblichkeit die Götter genug, und bedürfen
Die Himmlischen eines Dings,
So sind's Heroen und Menschen
Und Sterbliche sonst. Denn weil
Die Seligsten nichts fühlen von selbst, Muß wohl, wenn solches zu sagen
Erlaubt ist, in der Götter Namen
Teilnehmend fühlen ein andrer,
Den brauchen sie.
    Sie brauchen ihn, die Götter, und ebenso brauchen die Menschen die Dichter, die
    heiligen Gefäße,
Worin der Wein des Lebens, der Geist
Der Helden sich aufbewahrt.
    In ihnen fließt beides zusammen, das Obere und das Untere, sie lösen den Zwieklang in die notwendige Harmonie, ins Gemeinsame, denn
    Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind
Still endend in der Seele des Dichters.
    So tritt, erlesen und verflucht, zwischen Einsamkeit und Einsamkeit diese irdisch gezeugte, göttlich durchdrungene Gestalt des Dichters, berufen, das Göttliche göttlich zu schauen und es den Irdischen im irdischen Bildnis fühlsam zu machen. Von den Menschen kommt er, von den Göttern ist er gefordert: sein Dasein ist eine Mission, er ist die klingende Stufe, auf der »treppenweise das Himmlische niedersteigt«. Im Dichter erlebt die dumpfe Menschheit symbolisch das Göttliche: wie im Mysterium des Kelches und der Hostie genießen sie in seinem Wort Leib und Blut der Unendlichkeit. Darum das unsichtbare Priesterband um seine Stirne und das unverbrüchliche Gelöbnis der Reinheit.
    Dieser Mythus des Dichters ist der geistige Mittelpunkt von Hölderlins Welt: durch sein ganzes Werk hindurch hat er niemals diese Unerschütterlichkeit des Glaubens an die kultische Mission der Dichtung verloren, daher auch das absolut Sakrale, das Feierhafte seiner ethischen Haltung. Wer »Stimme der Götter« ist, »Verkünder des Helden« oder (wie er ein andermal sagt) »Zunge des Volkes« sein will, braucht die Erhobenheit der Rede, die Erhöhtheit der Haltung, die Reinheit des Gottverkünders, der spricht von unsichtbaren Tempelstufen zu einer unsichtbaren Vielzahl, zu einem Traumvolk, zueiner Traumnation, die erst aus der irdischen entstehen soll, denn »was bleibt, stiften die Dichter«. Seit die Götter schweigen, sprechen sie in ihrem Namen und Geist, Bildner des Ewigen im irdischen Tagwerk. – Darum rauschen auch seine Verse feierlich gehoben wie priesterliches Kleid und sind schmucklos weißgewandet. Darum spricht er selbst im Gedicht gleichsam höhere Sprache. Und diese hohe Bewußtheit der Sendung oder vielmehr des Gesendetseins hat Hölderlin an den Erfahrungen der Jahre nicht verlernt: nur eins ist in seinem Mythus ihm allmählich dunkler, verhängter und tragischer bewußt geworden, daß er die Sendung nicht wie im Frühglanz der Jugend mehr als ein bloß seliges Erwähltsein empfindet, sondern als heroisches Schicksal. Was dem Jüngling ursprünglich bloß als sanfte Begnadung erschien, erkennt der Gereifte als das schaurigschöne Hangen über dem Abgrund –
    Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,
Die Götter, schenken

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