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Der Kampf mit dem Dämon

Der Kampf mit dem Dämon

Titel: Der Kampf mit dem Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Kosten anderer nur einen gelegenen Zustand bereite«. Immer betont er in feierlichster Form gegen ihren Verdacht den Ernst und die Sittlichkeit seines Tuns: »Glauben Sie mir«, schreibt er der Mutter respektvoll, »daß ich mein Verhältnis zu Ihnen nicht leichtnehme und daß es mir oft Unruhe genug schafft,wenn ich meinen Lebensplan mit allen Ihren Wünschen zu vereinen suche.« Er trachtet sie zu überzeugen, daß er »den Menschen mit meinem jetzigen Geschäfte ebenso diene wie mit dem Predigeramte«, und weiß doch im Tiefsten, daß er sie niemals überzeugen kann. »Es ist kein Eigensinn«, stöhnt er aus tiefstem Herzen, »was mir meine Natur und meine jetzige Lage bestimmt. Es ist meine Natur und mein Schicksal, und dies sind die einzigen Mächte, denen man den Gehorsam niemals aufkündigen darf.« Doch auch die alten einsamen Frauen verlassen ihn nicht: seufzend senden sie dem Unbelehrbaren ihr Erspartes, waschen ihm Hemden und stricken ihm Socken: viele heimliche Tränen und Sorgen sind eingewebt in jedes Gewand. Aber wie Jahr und Jahr vergeht, ihr Kind immer auf Wanderschaft und gelegentlichem Beruf umgetrieben, für ihre Augen sich ins Wesenlose verliert, pochen sie wieder leise – auch in ihnen ist die zarte nachdrängende Art des Kindes – bei ihm mit dem alten Wunsche nochmals an. Sie wollen ihn seiner poetischen Liebhaberei nicht entfremden, deuten sie ganz scheu an, aber er könnte sie doch mit einer Pfarre vereinen: vorahnend bieten sie ihm des tiefverwandten Mörike Resignation und Idyllik, Teilung des Lebens an die Welt und die Dichtung. Aber hier ist an Hölderlins Urmacht gerührt, an den Glauben an die Unteilbarkeit des priesterlichen Dienstes, und wie ein Banner entrollt er die geheimste Überzeugung: »Es hat mancher«, schreibt er der Mutter auf ihre Mahnung, »der wohl stärker war als ich, versucht, ein großer Geschäftsmann oder Gelehrter im Amt und dabei Dichter zu sein. Aber immer hat er am Ende eines dem andern aufgeopfert, und das war in keinem Falle gut ... denn wenn er sein Amt aufopferte, so handelte er unehrlich an andern, und wenn er seine Kunst aufopferte, so sündigte er gegen seine von Gott gegebene natürliche Aufgabe, und das ist so gut Sünde und noch mehr, als wenn man gegen seinen Körper sündigt.« Doch dieser geheimnisvoll-großartigen Sicherheit der Sendung antwortet niemals der bescheidenste Erfolg; Hölderlin wird fünfundzwanzig, wird dreißig Jahre, und noch immer muß er, kümmerlicher Magister und Freischlucker an fremden Tischen, wie ein Knabe ihnen danken für das gesendete »Wämmesle«, die Schnupftücher und die Socken, immer noch den leisen, von Jahr zu Jahr immer schmerzlicheren Vorwurf der Enttäuschten hören. Er hört ihn in Qual und stöhnt verzweifeltauf zur Mutter: »Ich wollte, Sie hätten einmal Ruhe von mir«, aber immer muß er wieder an die einzige Tür pochen, die ihm in der feindlichen Welt offensteht, und immer wieder sie beschwören: »Haben Sie doch Geduld mit mir.« Schließlich sinkt er nieder an der Schwelle als zertrümmertes Wrack. Sein Kampf um das Leben in Idealität hat ihm das Leben gekostet.
    Dieses Heldentum Hölderlins ist darum so unsagbar herrlich, weil es ohne Stolz ist, ohne Siegesvertrauen: er fühlt nur die Sendung, den unsichtbaren Ruf, er glaubt an die Berufung, nicht an den Erfolg. Niemals fühlt er, der unendlich Verwundbare, sich als der hürnene Siegfried, an dem alle Speere des Schicksals zerschellen müssen, niemals sieht er sich als den Siegreichen, Erfolgreichen. Man verwechsle darum nicht Hölderlins namenlose Gläubigkeit an die Dichtung als den höchsten Sinn des Lebens mit einer eigenen, also persönlichen Gewißheit als Dichter: so fanatisch er der Mission vertraute, so demütig fromm war er im Hinblick auf die eigene Begabung. Nichts ist ihm fremder als das männliche, fast krankhafte Selbstvertrauen etwa Nietzsches, der sich als Lebensspruch das Wort gesetzt: Pauci mihi satis, unus mihi satis, nullus mihi satis – ein flüchtiges Wort kann ihn entmutigen, eine Ablehnung Schillers ihn Monate verstören. Wie ein Knabe, ein Schuljunge beugt er sich vor den ärmlichsten Versdichtern, vor einem Conz, einem Neuffer – aber unter dieser persönlichen Bescheidenheit, dieser äußersten Weichheit des Wesens, steht stahlhart der Wille zur Dichtung, die Dienstwilligkeit zum Opfergang. »O Lieber«, schreibt er an einen Freund, »wann wird man unter uns erkennen, daß die höchste Kraft in ihrer Äußerung

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