Der Kampf mit dem Dämon
heiliges Leid uns auch.
Er erkennt: Berufensein zum Priesteramt heißt Verstoßensein vom Glück. Der Erwählte ist gezeichnet wie ein Baum im unendlichen Walde mit dem roten Zeichen für das Beil: echte Dichtung fordert ein Schicksal heraus. Nur wer das Tragisch-Heldische, das er verkündet, selbst zu erleben bereit ist, wer aus dem sichern bürgerlichen Haus hinaustritt unter das Gewitter, in dem die Götter sprechen, nur der wird zum Helden. Schon Hyperion sagt es: »Huldige dem Genius einmal, und er reißt dir alle Bande des Lebens entzwei« – aber Empedokles erst, erst der verdüsterte Hölderlin, wird des ungeheuren Fluches bewußt, den die Götter über jenen verhängen, der sie »göttlich im Göttlichen schaut«:
jedoch ihr Gericht
Ist, daß sein eigenes Haus
Zerbreche der und das Liebste
Wie den Feind schellt' und sich Vater und Kind
Begrabe unter den Trümmern,
Wenn einer, wie sie, sein will und nicht
Ungleiches dulden, der Schwärmer.
Der Dichter gerät, weil er an die Urmächte, die übergewaltigen, greift, in ständige Gefahr: er ist gleichsam der Blitzableiter, wo eine einzelne aufstrebende dünne Spitze in sich den zuckenden Ausbruch der Unendlichkeit auffängt, denn er, der Mittler, muß ja »ins Lied gehüllt« den Irdischen »das himmlische Feuer reichen«. In herrlicher Herausforderung tritt er, der immer Einsame, den gefährlichen Mächten entgegen, und seine atmosphärische Überfülltheit mit ihrer gedrängten Feurigkeit ist fast eine tödlich gewaltsame. Denn weder darf er die geweckte Flamme, die brennende Weissagung, in sich schweigend verschließen,
Verzehren würd' er
Und wäre gegen sich selbst,
Denn nimmer duldet
Die Gefangenschaft das himmlische Feuer –
noch darf er ganz das Unsagbare sagen: Verschweigung des Göttlichen wäre Frevel des Dichters ebenso wie die vollkommene Aussage, der restlose Verrat im Wort. Er muß das Göttliche, das Heldische ewig unter den Menschen suchen und dabei ihre Niedrigkeit erleiden, ohne darum an der Menschheit zu verzweifeln, er muß die Götter rühmen und als Herrliche verkünden, die ihn, den Verkünder, einsam lassen in seinem Elend der Erde. Aber Rede und Schweigen, beides wird ihm zur heiligen Not: die Geweihten sind gezeichnet.
Hölderlin hat also volle Bewußtheit seines tragischen Geschicks: wie bei Kleist und Nietzsche überhöht das tragische Untergangsgefühl schon früh sein Leben und wirft den Schatten deutsam um ein Jahrzehnt voraus. Aber dieser zarte, schmächtige Pastorenenkel Hölderlin hat wie jener Pastorensohn, wie Nietzsche, den antiken Mut, ja die promethidenhafte Lust, sich mit dem Unendlichen zu messen. Niemals versuchte er das Dämonisch-Überflutende seines Wesens, wie Goethe, zu dämmen, zu exorzisieren oder zu zügeln: während Goethe ewig auf der Flucht vor seinem Schicksal ist, um den ungeheuren Schatz des Lebens zu retten, den er sich anvertraut fühlt, tritt eherner Seele und doch ungerüstet Hölderlin mit keiner anderen Waffe als seiner Reinheit dem Gewitter entgegen. Furchtlos und fromm zugleich (dieser herrliche Zwieklang seines Wesens durchklingt sein ganzes Schicksal wie jedesGedicht) erhebt er die Stimme zum Hymnus, um all die Brüder und Märtyrer der Dichtungen an den heiligen Glauben zu mahnen, an das Heldentum der höchsten Verantwortung, an das Heldentum ihrer Mission:
Wir sollen unsern Adel nicht verleugnen,
Den Trieb in uns, das Ungebildete
Zu bilden nach dem Göttlichen in uns.
Der Preis, der ungeheure, will nicht heimlich durch Kleinheit der Gesinnung, durch Sparsamkeit mit dem täglichen Glück hinterzogen sein. Dichtung ist Herausforderung an das Schicksal. Frommheit und Kühnheit zugleich: wer mit den Himmeln Zwiesprache hält, darf ihre Blitze nicht scheuen und das unausweichliche Fatum:
Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,
Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand
Zu fassen und dem Volk, ins Lied
Gehüllt, die himmlische Gabe zu reichen.
Denn sind nur reinen Herzens,
Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,
Des Vaters Strahl, der reine, versenget es nicht.
Und tieferschüttert, eines Gottes Leiden
Mitleidend, bleibt das ewige Herz doch fest.
Phaeton oder die Begeisterung
O Begeisterung, so finden
Wir in Dir ein selig Grab,
Tief in deine Wogen schwinden
Still frohlockend, wir hinab,
Bis der Höre Ruf wir hören
Und, mit neuem Stolz erwacht,
Wie die Sterne, wiederkehren
In des Lebens kurze Nacht.
Für eine so heroische
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