Der Kampf mit dem Dämon
bleibt er arm, eher läßt er die Sprache in gebanntem Kreise, als von der Fülle der gemengten Welt ein Quentchen in seine heilige Sphäre hinüberzunehmen. Ihm ist es wesentlicher, »ohne irgendeinen Schmuck fast in lauter großen Tönen, wo jeder ein eigenes Ganzes ist, harmonisch wechselnd fortzuschreiten«, als die lyrische Sprache zu verweltlichen: man soll ja in seinem Sinne Dichtung nicht wie ein Irdisches schauen, sondern als ein Göttliches ahnen. Lieber nimmt er die Gefahr der Monotonie auf sich als jene der nicht ganz reinen Poesie; Reinheit der Rede ist ihm höher als Reichtum. Unablässig wiederholen sich darum (in meisterlichen Varianten) die Attribute »göttlich«, »himmlisch«, »heilig«, »ewig«, »selig«; gleichsam nur die von der Antike geheiligten, die geistgeadelten Worte nimmt er in seine Dichtung auf und stößt die andern zurück, denen der Atem der Zeit am Kleide anhaftet, die warm sind von der angedrängten Körperwärme des Volkes und dünn von vieler Abnützung und Gebrauch. Er wählt absichtlich die wolkigen Worte, die deutsamen, die wie Weihrauch irgendeinen geistlichen, einen festlichen Duft, etwas Weihehaftes um sich verbreiten. Alles Körnige, Faßliche, Formende, Plastische, Sinnliche fehlt diesen wehenden Wortgebilden vollkommen: Hölderlin wählt eben die Worte nie nach ihrer Schwerkraft , ihrer Farbkraft , also als Medien der Versinnlichung, sondern immer nach ihrer Flugkraft , ihrer Schwungkraft , als Träger der Entsinnlichung, die aus der untern Welt in die obere, in die »göttliche« der Ekstase hineingetragen. Alle diese ephemeren Attribute »selig«, »himmlisch«, »heilig«, die engelhaften, die geschlechtslosen Worte, wie ich sie nennen möchte, sind farblos wie eine leere Leinwand, wie ein Segel: aber eben wie ein Segel, erfüllt vom Sturm des Rhythmus, vom Atem der Begeisterung, bauschen sie sich wunderbar rund auf und tragen empor . Sein Gedicht will niemals bildhaft sein, sondern durchaus lichthaft werden (darum wirft es auch keinen plastischen Schatten), es will nicht schildernd etwas Reales der Erde schauen lassen, sondern etwas Unsinnliches,etwas vom geistigen Gefühle ahnend in die Himmel tragen. Darum ist das Entscheidende aller Hölderlinschen Gedichte der Aufsturm nach oben; sie fangen alle, wie er einmal von der tragischen Ode sagt, »im höchsten Feuer an, der reine Geist, die reine Innigkeit hat ihre Grenze überschritten«: die ersten Zeilen seiner Hymnen haben immer etwas vom Kurzen, Abrupten, Losschnellenden eines Abstoßes, das Verswort muß immer erst fort von der Prosa des Daseins, um sich einzuschwingen in sein Element. Bei Goethe fühlt man von der dichterischen Prosa (besonders der Jugendbriefe) gar keinen scharfen Übergang, keine Zäsur zum Vers, zum Gedicht: gleichsam amphibisch lebt er in beiden Welten, in Prosa und Poesie, in Fleisch und Geist. Hölderlin dagegen hat im Sprechen eine schwere Lippe, seine Prosa in Brief und Aufsatz stolpert über philosophische Formeln stockig hin, sie ist ungelenk im Vergleich zur göttlichen Leichtigkeit der ihm natürlichen gebundenen Rede: wie jener »Albatros« im Gedicht Baudelaires kann der auf der Erde nur ungeschickt sich hinschleppen, der in Wolken selig schwebt und ruht. Hat sich Hölderlin aber einmal in die Begeisterung abgestoßen, so flutet ihm der Rhythmus gleichsam wie feuriger Atem von der Lippe, wunderbar bindet sich in kunstvollen Verschränkungen die schwere Syntax, die blendendsten Inversionen kontrapunktieren sich mit einer strahlenden, einer zauberhaften Leichtigkeit: durchsichtig wie feinster Stoff, wie die gläserne Schwinge eines Insektes läßt das »wehende Lied« durch seine klingenden, leuchtenden Flügel den Äther und sein unendliches Blau fühlen. Gerade was bei den anderen Dichtern das Seltenste ist, die Durchgängigkeit des erhobenen Zustandes, das Nicht-Aussetzen im tönenden Gesang, gerade dies ist für Hölderlin das Allernatürlichste: im »Empedokles«, im »Hyperion« stockt der Rhythmus niemals, sinkt nicht eine Zeile für einen Augenblick zur Erde zurück. Es gibt keinen Prosaismus mehr für den Enthusiasmierten: er spricht Dichtung wie eine fremde Sprache, im Vergleich zur Prosa des Lebens.
Diese Herrlichkeit, diese absolute Losgelöstheit von allem Prosaismus, dieser Freischwung im ätherischen Element ist Hölderlin nicht von Anfang gegeben; die Gewalt und Schönheit seines Gedichts wächst in dem Maße, als der Dämon, die Urgewalt seines Innern, die
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