Der Kampf mit dem Dämon
der Geist
Und die reifende Zeit,
Denn einmal bedurften
Wir Blinden des Wunders.
Und erhaben abschließend, preist der Gegengesang das Unbegreifliche:
Groß ist seine Gottheit
Und der Geopferte ist groß.
Mit seinem letzten Wort, mit seinem letzten Atem ist Hölderlin noch Lobkünder des Schicksals, unerschütterlich frommer Diener der heiligen Notwendigkeit.
Niemals war der Dichter bei Hölderlin, der hohe Gestalter so nahe der griechischen Welt wie in dieser Tragödie, die mit ihrem Zwiesinn von Opferhandlung und festlicher Erhebung stärker und reiner als irgendeine andere deutsche die heroische Höhe der Antike erreicht. Was Goethe im Tasso mißlungen, weil er des Dichters Qual nur in bürgerlichen Nöten faßte, im Ressentiment der Eitelkeit, des Klassendünkels und überheblichen Liebeswahns, das wird hier durch Reinheit des tragischen Elements mythisch wahr: Empedokles ist als Genius vollkommen entpersönlicht und seine Tragödie die Tragödie der Dichtung, des Schaffens schlechthin. Nicht ein Staubkorn eitler Episode, nicht ein Fleckchen theatralischen Füllsels beschmutzen den rauschenden Faltenwurf dieses dramatischen Schreitens, keine Frauen hemmen mit erotischer Verstrickung den Aufstieg, nicht Diener und Knechte mengen sich ein in den furchtbaren Konflikt des Einsamen mit den geliebten Göttern: wie bei der Frommheit Dantes, Calderons und der Antike ist ungeheurer Raum gläubig aufgeschlagen über dem einzelnen Geschick, und so steht es zwischen dem offenen Himmel der Zeiten. Keine Tragödie der Deutschen hat so viel Himmel über sich wie diese, keine wächst so naturhaft aus bretternem Hause der Agora, dem offenen Markte, dem Fest, der Opferhandlung entgegen: in diesem Fragment (und jenem andern noch, demGuiskard) ist die antike Welt noch einmal wahr geworden durch leidenschaftlichen Willen der Seele.
Das Hölderlinsche Gedicht
Ein Rätsel ist Reinentsprungenes. Auch
Der Gesang kaum darf es enthüllen. Denn
Wie du anfingst, wirst du bleiben.
Von der griechischen Vierzahl der Elemente – Feuer, Wasser, Luft und Erde – hat das Hölderlinsche Gedicht nur drei: die Erde fehlt darin, die trübe und haftende, die bindende und bildende, Sinnbild der Plastik und Härte. Sein Gedicht ist aus dem Feuer gestaltet, das flackernd nach oben fährt, Sinnbild des Aufschwungs, der ewigen Himmelfahrt, es ist leicht wie die Luft, ewige Schwebe, Wolkenwanderung und tönender Wind, und es ist rein wie das Wasser, diaphan. Alle Farben glüht es durch, immer ist es bewegt, ein unablässiges Hinauf und Hinab, ewiges Atmen des schöpferischen Geistes. Sie haben keine Wurzeln nach unten, seine Verse, keine Haft im Erlebnis, sie heben sich immer feindlich ab von der schweren fruchthaften Erde: etwas Heimatloses, Ruheloses ist ihnen allen zuteil, etwas von himmelhin wandernden Wolken, die bald das Frührot der Begeisterung anglüht, bald der Schatten er Schwermut dunkel macht, und oft fährt aus ihrer düster geballten Dichte der zündende Blitz und der Donner der Wahrsagung. Aber immer wandern sie oben, in der höheren, der ätherischen Sphäre, immer abgelöst von der Erde, unerreichbar der sinnlichen Belastung, fühlbar nur dem Gefühl. »Im Liede wehet ihr Geist«, sagt Hölderlin einmal von den Dichtern, und in diesem Wehen und Schweben löst sich Erlebnis in Musik so vollkommen auf wie Feuer im Rauch. Alles ist aufwärts gerichtet: »Durch Wärme treibt sich der Geist empor« – durch Verbrennung, Verdunstung, Verklärung des Stofflichen sublimiert sich das Gefühl. Dichtung ist im Hölderlinschen Sinn immer also Auflösung der festen, der erdhaften Materie in Geist, Sublimierung der Welt in den Weltgeist, niemals aber Verdichtung, Ballung und Verirdischung. Goethes Gedicht, selbst das geistigste, hat immer nochSubstanz, es fühlt sich fruchthaft an, man kann es rund mit allen Sinnen umfassen (indes jenes Hölderlins entschwebt). Mag es noch so sublimiert sein, so fehlt ihm nie jener Rest warmer Körperlichkeit, ein Aroma von Zeit, von Lebensalter, ein salziger Schmack von Erde und Schicksal: immer ist ein Teil des Individuums Johann Wolfgang Goethes darin, und ein Stück
seiner Welt. Hölderlins Gedicht entindividualisiert bewußt – »das Individuelle widerstreitet dem Reinen, welcher es begreift«, sagt er dunkel und doch offenbar. Durch diesen Mangel an Materie hat nun sein Gedicht eine besondere Statik, es ruht nicht kreishaft in sich selbst, sondern hält sich wie ein Flugzeug nur durch den Schwung: immer
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