Der Kannibalenclan
Sekretär von seiner Schreibmaschine auf, als Spesiwtsew hereingeführt wird. Vor ihm, auf dem Tisch, an dem er gemeinsam mit dem Staatsanwalt und dem Mörder sitzen wird, liegt eine Packung Zigaretten. Spesiwtsew setzt sich hin, ihm genau gegenüber, was dem Schriftführer nicht ganz recht ist. Doch der Häftling blickt ihn freundlich an und greift nach den Zigaretten, bricht die Packung auf und zieht eine heraus. Dann lässt er sich Feuer geben, während sich der Staatsanwalt setzt.
»Nun, Spesiwtsew…« – der Staatsanwalt wiederholt ganz kurz, was sie am Tag zuvor besprochen haben und wo Sascha fortfahren soll. Der Angesprochene inhaliert tiefe Züge und macht es sich in seinem Holzstuhl bequem. Mit einer kurzen Geste deutet er an, alles verstanden zu haben. Er räuspert sich kurz, schnippt Asche von der Zigarette in einen runden, schlichten Aschenbecher und setzt sich gerade hin. Dann spricht er, und fast sieht es so aus, als würde er die Aufmerksamkeit, diese Spannung unter den Anwesenden, genießen.
»Ich hätte da vorher noch eine Frage an Sie, Herr Staatsanwalt. Wenn ich nach dem Prozess erschossen werde, sind Sie da anwesend?«
»Eigentlich nicht, warum?«
»Weil ich schon gerne möchte, dass Sie dabei sind, denn dann kann ich nicht gequält werden. Ich habe nämlich schlimme Gerüchte darüber gehört, was da schon alles geschehen sein soll. Versprechen Sie mir, dass Sie dabei sein werden?«
»Mal sehen, was ich tun kann. Letztendlich entscheidet das Gericht, wer bei Hinrichtungen dabei sein darf. Aber ich werde sehen.«
»Nein, nein, das müssen Sie mir schon versprechen. Dafür verspreche ich Ihnen auch, alles zu sagen, was Sie von mir wissen wollen.«
»Also gut, ich verspreche es Ihnen, wenn ich die Genehmigung dafür vom Gericht bekomme. Aber das wird schon in Ordnung gehen.«
Ein sichtlich erleichterter Sascha nimmt seine Erzählungen vom Vortag wieder auf.
»Ich… nun, ich bin dann am Morgen aufgewacht und habe zuerst meinen Hund rausgelassen. Der will ja auch nicht den ganzen Tag im Bad verbringen. Etwas schimpfen musste ich aber schon mit ihm, denn er hatte wohl aus Hunger an dem toten Mädchen herumgefressen. Nicht schlimm, aber das darf er eigentlich nicht ohne meine Erlaubnis. Und Sie wissen ja –
ein Hund muss merken, was er darf und was nicht.«
Asche fällt in den Aschenbecher. Im Raum ist es totenstill.
Der Sekretär schluckt mehrmals.
»Ich habe dann eben erledigt, was es an so einem Tag zu erledigen gibt. Meiner Mutter habe ich gesagt, wann ich mit dem Zerteilen der Leiche fertig sein werde und wann sie mit dem Kochen anfangen kann. Dann bin ich wieder ins Bad gegangen und habe den beiden Mädchen gesagt, sie sollen mir helfen, ihre tote Freundin zu zerteilen. Die haben vielleicht geschaut. Dabei muss man das doch, so ein Körper passt doch in keinen Topf rein. Ja, und dann haben wir sie zerschnitten –
die meiste Arbeit blieb natürlich an mir hängen, denn die beiden mussten sich immer wieder übergeben, so oft ich sie auch geschlagen und getreten habe. Die eine wollte sich sogar in einer Ecke verkriechen. Doch da bin ich wirklich wütend geworden, habe sie gepackt und geschrien, sie solle sofort wieder an die Arbeit gehen, sonst würde ich den Hund auf sie hetzen. Irgendwie war es dann so laut, dass niemand mehr was verstanden hat. Also musste ich den Hund auf die hetzen, deren Arme ich gerade festhielt. Und der ist wirklich scharf, der hat sie am Fußknöchel gepackt und fest zugebissen. Dann habe ich mich der anderen zugewendet, ich ging zu ihr und schlug ihr ins Gesicht. Und dabei muss ich meinen Hund vergessen haben, der ja immer noch den Befehl hatte, auf die eine loszugehen. Plötzlich wurde es still im Raum. Komisch, denke ich mir noch und drehe mich um – und da sehe ich, wie der blöde Hund ihr in den Hals gebissen hat. Sie röchelte und gurgelte und rief nach ihrer Mutti – dabei war die doch gar nicht da! Ich war doch da! Und ich vertrieb doch auch den Hund… Ach, könnte ich noch mal Feuer haben, bitte.«
Niemand rührt sich. Schließlich gibt ihm der Staatsanwalt Feuer.
»Danke, so kann ich viel besser erzählen. Also, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich vertrieb den Hund und schaute mir die Bescherung an. Regungslos lag sie da – wahrscheinlich ein Trick, dachte ich mir und stieß mit dem Stiefel an ihren Kopf, um herauszufinden, was da vorging. Sie röchelte leise, aber sie rührte sich nicht. Ihre Freundin kroch wimmernd zu ihr hin, wohl
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