Der Kannibalenclan
Schlachtfest dann abgelaufen?« – In dem Moment steht seine Sekretärin ruckartig auf, ihr Stuhl kippt nach hinten um.
Dann rennt sie, die Hand vor den Mund gepresst, aus dem Raum.
»Ich erklärte den Mädchen, dass ich nun ihre Freundin am Bein operieren müsse, um sie endlich von ihren Schmerzen zu befreien. Wir legten sie auf den Badewannenrand. Mit einem Fuß musste sie sich in der Wanne abstützen, damit sie nicht hineinfiel. Die Mädchen mussten sie festhalten und ihr den Mund zuhalten, denn sie schrie fürchterlich, als sie mein Schlachtermesser sah, das ich aus der Küche geholt hatte. Die Mädchen waren nicht mehr in der Lage, sie ruhig zu halten, obwohl sie es ja versuchten. Ihr Körper bäumte sich immer wieder auf, wie sollte ich ihr da helfen? Da konnte ich den Mädchen gar keine Schuld geben, die waren wirklich nicht schuld, dass sie nicht ruhig blieb. Immer wieder sagte ich ihr, sie solle sich nicht so haben, aber sie wollte es nicht anders.
Inzwischen schrie sie so laut, dass ich doch Angst bekam, die Nachbarn würden etwas mitbekommen.«
»Was haben sie dann mit diesem Mädchen getan?« – Der Staatsanwalt fragt zögernd. Er will es nicht wissen. Aber es ist sein Beruf.
»Ich musste sie irgendwie zum Schweigen bringen.
Narkosemittel hatte ich keine, also habe ich ihr die Kehle durchgeschnitten und den Kopf gleich ganz abgetrennt. Ich wollte meine Ruhe, verstehen Sie, nur so wusste ich, dass sie ruhig bleiben würde und ich keine Angst vor den Nachbarn haben muss. Das hatte ich schon so oft gemacht…« Sascha bricht seine Erzählung plötzlich ab, er denkt nach, steht ganz still, um wenige Momente später fortzufahren.
»Das ging ruck, zuck!« Er sieht den Staatsanwalt an. Keine Reaktion. »Das glauben Sie nicht, wie schnell das ging… Die beiden Mädchen kreischten und drängten sich in eine Ecke der Wanne. Ich glaube, das hat sie geschockt. Ich sagte ihnen, wenn ich wegen ihnen Probleme mit den Nachbarn bekäme, würde ich ihnen allen den Kopf abschneiden. Sie sollten einfach nur ruhig sein und mit mir alles genießen. Es war doch auch für sie schön, da bin ich mir ganz sicher.«
Sascha wartet auf eine Frage des Staatsanwalts, doch der ist durch das Gehörte wie versteinert. Er will keine Fragen mehr stellen. Er will nichts mehr hören. Er kennt die Bilder, die man von den Leichen gemacht hat, er kennt das Mädchen, das noch wenige Stunden überlebt hat. Er will nichts mehr wissen. Doch er weiß auch, dass er diesen Häftling jetzt nicht unterbrechen darf. Viel zu wichtig sind die Ausführungen, als dass er jetzt alles hinschmeißen könnte. Er will, dass dieser Mann schnellstmöglich verurteilt wird – und zwar wegen Mordes an mindestens neunzehn Mädchen. Also bedeutet er ihm, fortzufahren. Er braucht Saschas Ausführungen. Er braucht sie dringend. Er braucht jedes Detail, jetzt, in dieser Minute, um ihn später anklagen zu können.
»Und danach ließen Sie die Mädchen zusammen mit ihrer toten Freundin im Bad?«
»Was hätte ich denn sonst machen sollen, sie vielleicht mit ins Bett nehmen?«
»Dann schliefen Sie seelenruhig ein?«
»Nein. Ich hatte meinen Hund vergessen, der war die ganze Zeit im Wohnzimmer. Ich holte ihn und sperrte ihn zu den Mädchen, da war es auf einmal ganz ruhig im Bad. Denn mein Hund mag es nicht, wenn man weint, da beißt er schon mal zu, und das wussten die Mädchen ja.«
»Dann schliefen Sie in Ihrem Bett?«
»Klar, nun war ja endlich Ruhe. Das ›Schlachtfest‹ hatte mich ja auch ganz schön mitgenommen. Ich war auch noch voller Blut. Ich hätte mich gern gewaschen, aber in die Badewanne konnte ich ja nicht hinein.«
»Spesiwtsew, es ist ziemlich spät geworden. Würden Sie uns die Geschichte morgen weitererzählen?« Damit steht der Staatsanwalt entschlossen auf und packt seine Sachen zusammen.
»Sicher, aber nur, wenn Sie Zigaretten mitbringen lassen.«
Die Befragung der Staatsanwaltschaft ist für diesen Tag beendet. Ohne ein Wort zu verlieren, bauen die Männer die Ton- und Filmanlage ab und verlassen eilig den Raum. Sascha verabschiedet sich von seinen Zuhörern, doch niemand erwidert seine Gesten.
Der nächste Tag
Wieder wird Sascha Spesiwtsew aus seinem dunklen Loch geholt. Wieder wird er in das Vernehmungszimmer gebracht.
Wieder sind neben dem Staatsanwalt weitere Männer –
Polizisten und Wärter – im Raum anwesend. Nicht mehr anwesend ist die Sekretärin, sie wurde durch einen Mann ersetzt. Unsicher blickt der neue
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