Der Kapuzenmörder
dunklen Gassen hinunter zum Fluß. Dort reinigte er seine Waffen, steckte sie ein und ging am Kai entlang auf der Suche nach einem Fährboot. Er fand eins, zahlte und kletterte hinein. Der Bootsmann legte ab, und Ranulf starrte über den schnell fließenden Fluß. Er empfand keine Skrupel bei dem, was er getan hatte. Diese Kerle hatten ihn ohne Grund überfallen, nur weil diese Hexe Fitzwarren sie dafür bezahlt hatte. Sie hatten ihn und seinen Herrn fast umgebracht, und der Himmel wußte, wie sehr sie die Augen des armen Maltote beschädigt hatten. Ranulf lehnte sich im Heck zurück. Zur rechten Zeit würde er Corbett schon erzählen, was er getan hatte. Er dachte an Lady Mary und lächelte. Vielleicht war es Zeit, daß er »Master Langgesicht« ein bißchen mehr erzählte? Über ihm schrie eine Möwe, aber Ranulf rührte sich kaum. Er dachte daran, wie er sich Corbett gegenüber gebrüstet hatte: Er, Ranulf-atte-Newgate, sei ebenso gut wie jeder andere Mann; er werde vor dem König knien, zum Ritter geschlagen und in ein hohes Amt befördert werden, und dann werde er Lady Mary Neville als seine Gemahlin in sein Bett holen. Und was konnte »Master Langgesicht« dagegen ausrichten? Ranulf schloß die Augen und träumte von künftiger Glorie.
Als sie bei den Stufen von Fish Wharf anlegten, war Ranulf so tief in seinen Träumereien versunken, daß der Bootsmann ihn anbrüllen und heftig schütteln mußte. Abwesend warf Ranulf ihm ein paar Münzen in die Hände und starrte dann am Kai entlang; er mußte an Corbetts Gespräch mit Puddlicott denken. Der Betrüger, der jetzt im Gefängnis saß, hatte ein bestimmtes kleines Geheimnis nicht aufgeklärt, etwas, das Master Corbett übersehen hatte, eine Kleinigkeit nur, die Ranulf aber mit Ratlosigkeit erfüllte. Er dachte an seine ehrgeizigen Träume und fragte sich, ob dies der Augenblick war, den ersten Schritt zu ihrer Verwirklichung zu tun. Oder sollte er einfach nach Hause gehen? Er schaute die Gasse hinauf zur Thames Street. Eine nasse Ratte huschte über seinen Stiefel. Ranulf trat wütend nach ihr, aber er nahm es auch als Zeichen. Er hatte es allmählich satt, im Dunkeln umherzuhuschen und Botengänge für seinen Herrn zu erledigen. Ja, dachte er, jetzt war es Zeit, daß Ranulf-atte-Newgate seine Zukunft selbst in die Hand nahm. Als er zielstrebig die Gasse hinaufging, lösten sich zwei dunkle Gestalten aus einer Haustür. Ranulf schlug seinen Mantel zurück und zog sein Schwert.
»Verpißt euch!« schrie er.
Die Gestalten verschwanden, und Ranulf wanderte weiter durch die Gassen bis zur Carter Lane; dann überquerte er die Bowyers Row und ging die Old Deans Lane hinauf, die sich an den dunklen Massen von St. Paul entlangzog. Neugierig geworden, blieb er stehen und zog sich Stück für Stück an der hohen Friedhofsmauer der Kathedrale hoch. Wie immer herrschte auf dem alten Friedhof dahinter reges Treiben. Ranulf roch Kochdünste und sah dunkle Gestalten, die sich um die Feuerstellen und die Stände drängten, an denen billiger Schmuck und anderer Tand verkauft wurde und die auch nachts nicht geschlossen wurden. St. Paul war die Zuflucht der Obdachlosen, der »Wolfsköpfe«, die sich hierher flüchteten, wo die Machtbefugnis der städtischen Behörden und der königlichen Justizbeamten zu Ende war. Ranulf spähte stumm in die Nacht. Wenn sein Herr ihn nicht aus dem Gefängnis von Newgate geholt hätte, dann wäre dies hier das Beste gewesen, was die Zukunft ihm zu bieten hatte. Entschlossener denn je kletterte er von der Mauer, klopfte sich die Hände ab und ging hinauf nach Newgate. Er bestach einen schlaftrunken blickenden Wächter, damit er ihn durch die Torpforte hinausließ, und dann wanderte er durch Smithfield zur Priorei von St. Bartholomew. Am Schafott blieb er stehen; die verwesenden Kadaver, die hier baumelten, störten ihn nicht.
»Bist du da, Ragwort?« rief er leise.
»Der alte Ragwort ist nicht da, und hier ist er auch nicht«, antwortete der verrückte Bettler erbost.
Ranulf lächelte, warf einen Penny in Richtung des Galgens und ging weiter. An der Priorei angekommen, hämmerte er an die Pforte. Wenig später führte ein Laienbruder ihn ins Spital. Eine Zeitlang wartete Ranulf im zugigen Gang und fragte sich, was für Neuigkeiten ihn wohl erwarten mochten.
»Ranulf, Ranulf.« Pater Thomas kam auf ihn zu. »Du kommst wegen Maltote?«
»Ich war sowieso in der Gegend, Pater. Ich störe Euch nur ungern.«
»Macht nichts, Ranulf. In der Nacht
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