Der Kapuzenmörder
kann ich am besten arbeiten.«
»Und?« fragte Ranulf hastig. »Ist Maltote blind?«
Pater Thomas nahm ihn sanft beim Arm und führte ihn zu einer Bank.
»Maltote wird wieder gesund«, sagte er und setzte sich neben Ranulf. »Die Augen werden ihm noch eine Weile weh tun und brennen, aber der Kalk wurde sehr schnell ausgewaschen. Seine Wange wird ein bißchen vernarbt aussehen, aber er ist jung, und sein Körper wird schnell heilen.«
Ranulf starrte ihn bang an. »Wo liegt dann das Problem, Pater?«
»Um seinen Geist mache ich mir Sorgen.«
»Was meint Ihr damit?«
»Es kann sein, daß ihm vor jeder Gewalttätigkeit graut, vor allem vor Waffen.«
Ranulf nagte an der Unterlippe. »Weiter, Pater.«
»Nun, wir haben ihm ein Messer gegeben, damit er sein Fleisch kleinschneiden kann. Da hat er seine Finger schlimmer zerschnitten als sein Essen.«
Ranulf lehnte sich zurück und lachte voller Erleichterung, und sanft tätschelte er Pater Thomas die Hand. Der Arzt sah Ranulfs Ausbruch mit Verwunderung.
»Oh, es tut mir leid, Pater. Ich muß mich entschuldigen. Wußtet Ihr es denn nicht?«
Pater Thomas schüttelte den Kopf.
»Gebt Maltote niemals ein Messer in die Hand, keinen Dolch, nichts, womit man irgendwie schneiden kann. Er wird nur sich selbst und alle anderen in St. Bartholomew verletzen. Aber, Pater, ich danke Euch für Eure Fürsorge.«
»Willst du ihn nicht sehen?«
»Schläft er?«
»Ja.«
»Dann laßt ihn schlafen, Pater. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen.«
Ranulf verließ St. Bartholomew, wanderte über die Gemeindewiese zurück und verhüllte sein Gesicht, um sich vor dem schrecklichen Gestank des Stadtgrabens zu schützen, als er der gewundenen, kopfsteingepflasterten Gasse zum Tor des Fleet-Gefängnisses folgte. Der Pförtner war nicht eben entgegenkommend; erst nachdem ein wenig Silber den Besitzer gewechselt hatte, ließ er Ranulf in die düstere, stinkende Eingangsdiele. Ein vierschrötiger Kerkermeister mit fettigem Stachelhaar und einem vom Trinken aufgedunsenen Gesicht sprach ihn an.
»Was willst du?« fragte er und wischte sich die Hände an einem fleckigen Wams ab.
»Ich will mit Puddlicott sprechen.«
Die dicken Lippen des Kerkermeisters teilten sich zu einem Grinsen.
»Ah, mit dem Kerl, der die Schatzkammer des Königs geplündert hat! Aber wir haben Befehl, niemanden in seine Nähe zu lassen.«
»Wer hat das befohlen?«
»Sir Hugh Corbett, der Bewahrer des Geheimsiegels.« Ranulf wühlte in seiner Tasche und zog ein Dokument mit Corbetts Siegel heraus. »Mein Herr schickt mich ja. Tut, was ich sage.«
Natürlich konnte der Kerl nicht lesen, aber das Siegel beeindruckte ihn um so mehr, als Ranulf eine Silbermünze auf das Dokument legte.
»Dann komm mal mit. Er ist jetzt hübsch sicher untergebracht. Ein behagliches Quartier hat er, weit weg vom übrigen Abschaum.«
Der Kerkermeister führte ihn durch ein höhlenartiges Gewölbe, in dem die gemeinen Verbrecher hockten, an die Wand gekettet. Die Fesseln waren so lang, daß die Gefangenen aufstehen und umhergehen konnten, aber jetzt lagen sie zusammengekrümmt unter ihren fadenscheinigen Decken und stöhnten und wimmerten im Schlaf. Ranulf sah mit Ekel den langen, von Schmutz überzogenen Gemeinschaftstisch, auf dem die Mäuse, ohne sich von ihrer Anwesenheit stören zu lassen, an alten Essenskrumen und Fettbröseln nagten. Ein paar Gefangene wachten auf und wankten auf sie zu, dreckige, stinkende Männer und Frauen, überwiegend in Lumpen gekleidet, und ihre nackte Haut war von schrecklichen Geschwüren und Blutergüssen übersät. Ein Wärter brüllte sie an, und sie zogen sich geduckt zurück.
Ranulf und der Kerkermeister verließen den Saal und gingen einen mit Steinplatten ausgelegten Gang hinunter, vorbei an vergitterten Fenstern, hinter denen Verbrecher, die auf den Henkerskarren warteten, ihre Bettelschalen zwischen den Gitterstäben hindurchstreckten, weinten oder Beschimpfungen hinausschrien. Sie stiegen ein paar schmierige, rissige Treppenstufen hinauf und kamen in einen langen, von Fackeln erhellten Korridor, an dem mehrere Zellen lagen. Ranulf sah gleich, wo Puddlicott wohnte, denn vor der Tür hockten zwei Wachen. Sie regten sich kaum, als der Kerkermeister die Zellentür aufschloß und Ranulf hineinschob.
»Puddlicott, mein Junge!« rief der Kerkermeister. »Armer, verkommener Hund! Du hast Besuch!«
Ranulf spähte ins Dunkel. Die Zelle war vollkommen quadratisch, sauber und ausgefegt. In einer Ecke
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