Der Kardinal im Kreml
ersten Anblick des Berges hatte sich der Bogenschütze sein Ziel gewählt: das groÃe Gebäude. Dort lebten die Russen. Nicht die Soldaten, sondern jene, die von den Soldaten beschützt wurden. Ein Wohnblock mitten auf dem Berg, dachte er. Für wen bauten die Russen ein Haus, wie man es sonst nur in Städten findet? Für Menschen, die Komfort brauchten, für Menschen, die an etwas arbeiteten, das die Amerikaner fürchteten. Leute, die der Bogenschütze gnadenlos töten würde.
Der Major legte sich neben ihn.
»Die Männer sind gut getarnt«, meldete er und richtete sein Fernglas auf das Ziel. Es war so dunkel, daà der Bogenschütze gerade sein Profil erkennen konnte. »Wir haben das Gelände von unserem letzten Beobachtungspunkt aus falsch eingeschätzt. Es wird drei Stunden dauern, bis wir dort sind.«
»Eher vier.«
»Diese Wachtürme gefallen mir nicht«, stellte der Major fest. Beide Männer fröstelten. Eine kräftige Brise war aufgekommen, und sie befanden sich nun nicht mehr im Windschatten des Berges. Allen Männern stand eine harte Nacht bevor. »Auf jedem sind ein oder zwei Maschinengewehre, die uns beim Angriff vom Hang fegen können.«
»Keine Suchscheinwerfer«, merkte der Bogenschütze an.
»Dann benutzen sie bestimmt Nachtsichtgeräte. Mit denen kenne ich mich aus.«
»Wie gut sind die?«
»Ihre Reichweite ist beschränkt. Ãber eine Entfernung wie zu uns erkennt man durch sie groÃe Objekte wie Lkw. Einen Mann sieht man vor diesem zerklüfteten Hintergrund über dreitausend Meter. Für ihre Zwecke reicht das gut. Die Türme müssen zuerst ausgeschaltet werden. Setzen Sie die Mörser gegen sie ein.«
»Nein.« Der Bogenschütze schüttelte den Kopf. »Wir haben nur knapp hundert Granaten; die sind für die Kaserne bestimmt. Wenn wir alle schlafenden Soldaten töten können, haben wir es nachher im Komplex selbst einfacher.«
»Wenn uns die MG-Schützen auf den Türmen aber kommen sehen, ist die Hälfte unserer Männer tot, ehe die Soldaten überhaupt aufwachen«, gab der Major zu bedenken.
Der Bogenschütze grunzte. Sein Kamerad hatte recht. Zwei Türme waren so positioniert, daà von ihnen aus der Hang unter dem Plateau bestrichen werden konnte. Und diesen Hang muÃten seine Männer erklimmen. Er konnte der Bedrohung mit seinen eigenen MG begegnen, doch solche Duelle gewann meist der Verteidiger. Der Wind zerrte an ihnen. Beide Männer muÃten jetzt Schutz suchen, wenn sie keine Erfrierungen riskieren wollten.
»Verfluchte Kälte!« stieà der Major hervor.
»Ist es auf den Türmen auch kalt?« fragte der Bogenschütze nach kurzem Nachdenken.
»Sogar noch kälter als hier. Dort ist man dem Wind ungeschützt ausgesetzt.«
»Was haben die russischen Soldaten an?«
Der Major lachte in sich hinein. »Sachen wie wir. Immerhin tragen wir ihre Uniformen.«
Der Bogenschütze nickte, hatte plötzlich einen Einfall und stand auf. Kurz darauf kam er mit einem Stinger-AbschuÃgerät zurück und setzte es zusammen. Die Suchgeräte wurden von seinen Männern unter der Kleidung getragen,
um die Batterien vor der Kälte zu schützen. Fachmännisch setzte er die Waffe zusammen, aktivierte sie und visierte den nächsten Wachturm an ...
»Hören Sie mal«, sagte er und reichte dem Major das Gerät.
»Ah!« Er grinste breit.
Â
Clark â offenbar ein systematischer Mann, wie Mancuso beim Zuschauen feststellte â breitete seine Ausrüstung aus und prüfte sie. Die Kleidung des Mannes sah gewöhnlich, aber schäbig aus.
»In Kiew gekauft«, erklärte Clark. »Wer sich hier als Einheimischer ausgeben will, darf nicht im MaÃanzug rumlaufen.« Er hatte auch einen Tarnoverall zum Drüberziehen, russische Ausweise und eine kleine Pistole mit Schalldämpfer.
»So eine habe ich noch nie gesehen«, meinte der Captain.
»Wer eine groÃkalibrige Waffe dämpfen will, braucht einen ellenlangen Schalldämpfer, wie ihn die Jungs vom FBI an ihren Kanonen haben. Ich aber brauche eine Waffe, die in die Hosentasche paÃt. Wir ziehen hier keinen Fernsehkrimi ab, Captain. Richtig dämpfen läÃt sich nur ein kleines Kaliber, ein Geschoà also, das die Schallgeschwindigkeit nicht erreicht, und der Verschluà muà versiegelt sein. Dann
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