Der Kardinal im Kreml
Leuten in Zivil«, meinte der Colonel.
»Das wird jetzt anders. Ich habe einen Auftrag für Sie, der Ihnen Spaà machen wird.« Da irrte Jack.
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Es fiel Ryan schwer, sich auf seine offizielle Arbeit zu konzentrieren. Das lag nicht nur an der geisttötenden Langeweile des Verhandlungsprozesses, sondern auch an seinem inoffiziellen Job, der ihn beschäftigte, während er an seinem Kopfhörer drehte, um die Simultanübersetzung der zweiten Version der Rede des sowjetischen Abrüstungsbeauftragten richtig verstehen zu können. Fort war die Andeutung
von gestern, Vor-Ort-Inspektionen sollten strengeren Beschränkungen unterliegen als zuvor vereinbart. Nun verlangte man eine weiter gefaÃte Genehmigung, amerikanische Anlagen zu inspizieren. Da wird sich das Pentagon aber freuen, dachte Ryan und unterdrückte ein Lächeln. Erstaunlich â nach dreiÃig Jahren entsprechender US-Forderungen hatten die Sowjets auf einmal nachgegeben. Warum akzeptieren sie unsere Bedingungen? Was steckt dahinter?
Doch die Sache stellte einen Fortschritt dar, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hatte. Dann wuÃten beide Seiten, was die andere besaà und was sie damit trieb. Natürlich würde keiner dem anderen trauen; dafür sorgten schon die Geheimdienste. Spione würden herumschleichen und nach Indizien für Betrugsversuche der Gegenseite suchen, den geheimen Zusammenbau von Raketen für einen Ãberraschungsangriff beispielsweise. Die den militärischindustriellen Komplex beherrschende Paranoia würde viel länger halten als die Waffen selbst. Jack wandte seinen Blick zu dem sowjetischen Sprecher.
Warum habt ihr es euch anders überlegt? WiÃt ihr vielleicht, was in meiner Analyse stand? Die Presse kennt sie noch nicht, aber ihr habt sie womöglich zu Gesicht bekommen. Darin stand, ihr hättet endlich erkannt, wie teuer die verfluchten Dinger sind, daà ihr genug habt, um Amerika achtmal zu verheizen, wo doch viermal schon ausreichte, und daà ihr nur Geld spart, wenn ihr eure alten Raketen auf den Schrott werft. Es geht euch nur ums Geld, habe ich dem Präsidenten dargelegt, euren Standpunkt habt ihr nicht geändert. Ach ja, und öffentlichkeitswirksam sind solche Aktionen auch.
Wenn das Abkommen wie erwartet zustande kam, sparten beide Seiten rund drei Prozent ihrer Verteidigungslasten, die Russen wegen ihrer stärker diversifizierten Raketensysteme vielleicht sogar fünf. Was würden die Supermächte mit dem gesparten Geld anfangen?
Der Russe beendete seine Rede; Zeit für eine Kaffeepause. Ryan klappte seinen ledernen Aktendeckel zu, ging mit
den anderen hinaus und nahm sich zur Abwechslung eine Tasse Tee.
»Nun, Ryan, was halten Sie von der Sache?« fragte Golowko.
»Ist das eine dienstliche oder eine private Frage?«
»Eine private, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Sergej Nikolajewitsch, wenn es auf der Welt mit Vernunft zuginge, würden wir uns zusammensetzen und diesen ganzen Mist in zwei, drei Tagen unter Dach und Fach bringen. Eine Woche lang streitet man sich jetzt um die Vorwarnzeit vor einer Inspektion. Und da man sich darüber nicht einigen kann, redet man über alten Kram, der längst erledigt ist. Wenn wir beide verhandeln würden, dann würde ich eine Stunde sagen, Sie vielleicht acht. Und einigen würden wir uns dann irgendwann auf drei oder vier â«
»Vier oder fünf.« Golowko lachte.
»Meinetwegen vier.« Auch Jack reagierte erheitert. »Na bitte. Wir kämen jedenfalls überein.«
»Wir sind aber keine Diplomaten«, meinte Golowko. »Wir halten uns nicht an die Formen, sind zu direkt, zu pragmatisch. Ach, Ryan, aus Ihnen machen wir noch einen Russen.«
Zurück zum Geschäft, dachte Ryan und stellte sich um. »Lieber nicht. Mir ist es hier zu kalt. Passen Sie auf, Sie gehen einfach zu Ihrem Chefunterhändler, ich wende mich an Onkel Ernie, und wir schlagen ihnen eine Vorwarnzeit von vier Stunden vor. Und zwar auf der Stelle. Na, wie wärâs?«
Das brachte Golowko aus dem Konzept, wie Ryan feststellte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte der Mann, Ryan meinte das ernst. Doch der GRU/KGB-Offizier faÃte sich schnell wieder. Und Ryan merkte nicht, was für einen schwerwiegenden Fehler er gerade gemacht hatte.
Sie sollten nervös sein, Ryan, verhalten sich aber entspannt, dachte Golowko bei sich. Beim Abendempfang
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