Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
anzuhängen. Außerdem war ich fast noch ein Kind.«
    »Also haben Sie den Virenstamm mitgehen lassen, als Sie dort aufhörten«, sagte ich. Sie lächelte kalt.
    »Und Sie haben ihn all diese Jahre aufbewahrt?«
    »Das ist nicht schwer, wenn es überall dort, wo man arbeitet, ein Stickstoffgefriergerät gibt und man sich immer gern bereit zeigt, den Virenbestand zu überwachen«, sagte sie voller Stolz. »Ich habe ihn gerettet.«
    »Warum?«
    »Warum?« Ihre Stimme wurde lauter. »Ich war schließlich diejenige, die daran arbeitete, als der Unfall geschah. Er gehörte mir. Also hab' ich zugesehen, daß ich etwas davon und von meinen anderen Experimenten mitnahm, als ich ging. Warum hätte ich denen das dalassen sollen? Sie hätten damit ja doch nicht das gleiche anfangen können wie ich. Dazu waren sie nicht clever genug.«
    »Aber das hier sind keine Pocken. Jedenfalls keine gewöhnlichen«, sagte ich.
    »Tja, das macht es sogar noch schlimmer, nicht wahr?« Ihre Lippen bebten vor Erregung, als sie an jene Zeit zurückdachte. »Ich habe die DNS von Affenpocken mit dem Pocken-Genom verknüpft.«
    Sie war mittlerweile völlig überreizt. Ihre Hände zitterten, als sie sich die Nase mit einer Serviette abwischte.
    »Und dann werde ich zu Beginn des neuen akademischen Jahrs bei der Ernennung des Dekans übergangen«, fuhr sie fort, und ihre Augen blitzten zornig.
    »Phyllis, das ist ungerecht ...«
    »Halten Sie den Mund!« schrie sie. »Nach allem, was ich für diese verdammte Uni getan habe? Ich bin schon so lange dabei und habe allen die Windeln gewechselt, auch Ihnen. Und die geben den Posten einem Mann, bloß weil der den Doktortitel hat und ich nur den Ph.D.«, fauchte sie.
    »Die Stelle hat ein Pathologe mit einem Harvard Studium bekommen, und das ist vollkommen gerechtfertigt«, stellte ich ungerührt fest. »Außerdem spielt das gar keine Rolle. Für das, was Sie getan haben, gibt es keine Entschuldigung. Sie haben also all diese Jahre ein Virus vor der Vernichtung bewahrt, um so etwas damit anzurichten?«
    Der Teekessel pfiff schrill. Ich stand auf und stellte die Herdplatte aus.
    »Das ist nicht die einzige exotische Krankheit, die ich in meinem Archiv hatte. Ich habe so einiges gesammelt«, sagte sie.
    »Ich dachte eigentlich, ich würde sie eines Tages für ein bahnbrechendes Forschungsprojekt brauchen. Ich wollte das am meisten gefürchtete Virus der Welt studieren und dadurch etwas herausfinden über das menschliche Immunsystem, das uns vor anderen Seuchen wie Aids retten könnte. Ich dachte, ich würde vielleicht den Nobelpreis gewinnen.« Sie war seltsam ruhig geworden, als empfände sie eine gewisse Befriedigung. »Nein, ich würde nicht sagen, daß ich in Birmingham schon vorhatte, eines Tages eine Epidemie in Gang zu setzen.«
    »Tja, das ist Ihnen ja auch nicht gelungen«, entgegnete ich. Sie sah mich an, und ihre Augen verengten sich böse.
    »Außer den Leuten, die aller Wahrscheinlichkeit nach das Gesichtsspray benutzt haben, ist niemand erkrankt«, sagte ich. »Ich hatte mehrfach Kontakt mit Patienten, und ich bin gesund. Das Virus, das Sie geschaffen haben, ist eine Sackgasse. Es befällt nur die Ausgangsperson, ohne sich weiter fortzupflanzen. Es gibt keine Sekundärinfektion. Keine Epidemie. Was Sie geschaffen haben, war eine Panik, Krankheit und Tod für eine Handvoll unschuldiger Opfer. Und Sie haben auf einer Insel voller Menschen, die vermutlich noch nie etwas von einem Nobelpreis gehört haben, die Fischfangindustrie lahmgelegt.«
    Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und musterte sie, doch sie ließ sich offenbar nicht beeindrucken.
    »Warum haben Sie mir die Fotos und die E-Mails geschickt?« wollte ich wissen. »Fotos, die in Ihrem Eßzimmer aufgenommen wurden, auf diesem Tisch. Wer war Ihr Versuchskaninchen? Ihre alte, kranke Mutter? Haben Sie sie mit dem Virus besprüht, um zu sehen, ob es wirkt? Und als es wirkte, haben Sie ihr in den Kopf geschossen. Sie haben sie mit einer Autopsiesäge zerstückelt, damit niemand diesen Todesfall mit den verseuchten Sprays in Zusammenhang bringen konnte, die Sie später verteilt haben.«
    »Sie halten sich wohl für sehr schlau«, sagte sie, deadoc.
    »Sie haben Ihre eigene Mutter ermordet und sie in eine Abdeckplane eingewickelt, weil Sie es nicht ertragen konnten, Sie anzusehen, während Sie sie zersägten.«
    Sie wandte den Blick ab, und mein Pieper vibrierte. Ich zog ihn heraus und las Marinos Nummer. Ohne den Blick von ihr zu lassen,

Weitere Kostenlose Bücher