Robotnarkose Newton
1.
»Nun, was habe ich gesagt? Die Menschheit ist endgültig verrückt geworden! Da sind vierundsechzig Plasmakreuzer, die mo dernsten Konstruktionen der Völker. Echte Hochenergietriebwer ke, Kohlersche Fesselfelder, dazu Scheuning-Umformer zur Gewinnung des Arbeitsstroms aus Kernverschmelzungsprozessen nach dem Prinzip der Deuterium-Vollkatalyse. Die Lichtbogenzündung mit 4285 Grad Celsius genügt, um die Fusion einzuleiten. Damit haben wir den reinen Plasmastrahl und enorme Schubleistungen, erzeugt durch hohe Strahldichte in Verbindung mit Ausströmgeschwindigkeiten von über hunderttausend Meter pro Sekunde! Das ist etwa der vierzigfache Wert eines alten SATURN-Triebwerks. Außerdem besitzen unsere weltraumfahrenden Helden Andruckabsorber nach marsianischem Muster, so daß sie stundenlang mit zwanzig ›g‹ beschleunigen können, ohne Kreislaufversager, Herzstillstand und dergleichen befürchten zu müssen. Mutter Natur hat wieder eine Schlacht verloren. Uralte Gesetze werden umgeworfen. Und das alles, um den alten Mars zu sprengen.«
»Halten Sie den Mund, Utan!« versuchte Oberst Reg. J. Steamers, unser Abstrakt-Psychologe, Hannibals Redeschwall zu bremsen.
Der Kleine drehte sich erbost um. Die Hände geballt, angriffslustig blickend, stolzierte er auf Steamers zu.
»Das haben Sie gedacht, Sie lebende Rechenmaschine. Was sagt Ihnen eigentlich Ihr schlaues Köpfchen, eh? Was geschieht wohl mit der Erde und dem Mond, wenn der Mars in Stücke gerissen wird? Um das zu wissen, braucht man nicht unbedingt Astrophysiker zu sein. Auf der Erde wird die zweite Sintflut ausbrechen.«
»Sie übertreiben, MA-23«, fiel Professor Alfons Teichburg ein. Er war in letzter Sekunde den Kampfrobotern des Marsgehirns NEWTON entkommen und erst vor zwei Tagen auf dem Mond gelandet.
Dort befanden wir uns zur Zeit. Wir schrieben den 13. Oktober 2010. Vor einer Minute, Punkt 0:05, hatten die vierundsechzig Orbit-Kreuzer Fahrt aufgenommen. Die Direktübertragung der Raumstationen, die als Installationsbasen und Versorgungsbahnhöfe im freien Raum weit über der Erdoberfläche gedient hatten, konnte nicht überall abgehört werden. Dafür sorgten die gewaltigen Richtstrahler.
Die Sendung war ausschließlich für die Mondbesatzung bestimmt. Kurz vor dem Start waren die Koryphäen der irdischen Wissenschaft und der Geheimdienste eingetroffen.
Hannibal Othello Xerxes Utan, der GWA-Schatten »zur besonderen Verwendung«, erzählte Teichburg soeben einige Dinge, die ich an seiner Stelle als grobe Beleidigungen aufgefaßt hätte.
Unser ehemaliger Chefmathematiker und Kybernetiker »Mars«, Stützpunkt Topthar, hörte jedoch geduldig zu. Der Zwerg glich in seiner Aufregung einem aufgezogenen Spielzeuggnomen, der seine dürren Hände in einer Art von Schattenspiel vor Teichburgs Gesicht herumwirbeln ließ.
»Keine wirkliche Sintflut«, betonte Teichburg gelassen, denn er kannte Hannibal und dessen Wesensart. »Keine allesvernichtende Katastrophe. Wir werden es zu spüren bekommen – sicherlich. Wenn der Mond verschwände, sähe es allerdings übel aus. So aber werden wir glimpflich davonkommen und« – er unterbrach sich, um mich rasch zu mustern und meine Reaktion zu erkennen – »bestenfalls Dinge erleben, die wir beherrschen oder abwenden können.«
Es gefiel mir nicht, daß er mich wie einen Komplizen ansah und mit beschwörenden Blicken um meinen Beifall bat.
Schon vor Wochen hatte der korpulente Professor Hiobsbotschaften über Hiobsbotschaften zur Erde gefunkt. Damals war er noch auf dem Mars und auf der Flucht vor den
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