Der Kelte
Was bisher geschah:
Um sich von ihrer gescheiterten Beziehung abzulenken, fährt die Pariser Historikerin Rose Martin mit ihrer Freundin Enora in die Bretagne. Vom ersten Tag an, den sie in dem kleinen Cottage am Atlantik verbringt, hat sie erotisch-düstere Träume von einem Mann mit dunklen Haaren wie Rabenfedern: Alan. Was sie nicht ahnt: Alan ist auf der Suche nach ihr, und während sie noch versucht, zu begreifen, was mit ihr geschieht, findet er sie. Sie ist die Liebe seines Lebens, aber sein Schicksal ist es, sie wieder und wieder zu töten – ein Bann, den die Kriegsgöttin über ihn verhängt hat. Auch Rose wurde verflucht. Sie muss auf ewig heimatlos durch die Zeit irren. Jedes Mal, wenn Alan sie tötet, landet sie ohne Erinnerungen in einer anderen Epoche. Trotz der Hilfe ihrer Freundin Enora und der Unterstützung der geheimnisvollen Glynis erfüllt sich das Schicksal der Liebenden ein weiteres Mal und Rose springt vom Jahr 2014 in das Jahr 1888, wo sie auf den Erbauer des Eiffelturms trifft.
On the second day I brought her a flower
She was more beautiful than any woman I’d seen
I said, „Do you know where the wild roses grow
So sweet and scarlet and free?“
(Where the Wild Roses grow, irisches Volkslied)
1888
Roses Augen weiteten sich. Das konnte nur ein Traum sein!
Was war mit dem Eiffelturm passiert?
Mit hölzernen Schritten trat sie bis an den Fahrbahnrand und starrte ungläubig auf die vertrauten vier Beine des riesigen Stahlgerüsts, das sie in den vergangenen Jahren beinahe jeden Tag vor Augen gehabt hatte. Die erste Aussichtsplattform war da, genau, wie Rose es gewohnt war. Aber darüber befand sich ... nichts!
Die Pfeiler, die die zweite Plattform trugen, waren nur Stummel. Im ersten Moment dachte Rose, es müsse ein Unglück gegeben haben, irgendeinen Terroranschlag vielleicht, der den Eiffelturm zum Einsturz gebracht hatte. Aber dann senkte sie den Blick und zuckte abermals zusammen. Die Straße war voll mit ... Kutschen! Menschen in der Kleidung des ausgehenden 19. Jahrhunderts flanierten an Rose vorbei, Männer in denselben steifen Anzügen, wie Monsieur Eiffel einen trug, Frauen in bodenlangen Kleidern samt Cul-de-Paris und Hut. Eine ältliche Dame, die ganz in Schwarz gekleidet war, warf im Vorbeigehen einen pikierten Blick auf Roses nackte Beine.
„Kommen Sie!“, sagte Monsieur Eiffel und nahm Rose bei den Schultern, um sie zu einem kleinen Café zu bugsieren, dessen Fensterscheiben hinter ihnen aufragten.
Aber Rose konnte den Blick nicht von dem halb fertigen Eiffelturm abwenden. Wenn sie die Augen zusammenkniff, konnte sie die Gerüste sehen, die um die Stummel herumgebaut waren, und sie glaubte sogar, Menschen auf diesen Gerüsten erkennen zu können.
Ihre Hände zitterten. Das hier war eindeutig kein Terroranschlag, es war etwas anderes. Etwas ganz anderes!
Wie betäubt ließ sie sich von Eiffel in das Café führen und in einer vom Fenster möglichst weit entfernten Nische auf eine Bank drücken. Bis auf eine Kellnerin in mädchenhafter schwarz-weißer Kleidung war der kleine Raum leer. „Diese junge Dame wurde überfallen“, erklärte Eiffel ihr. „Rufen Sie die Polizei!“ Die junge Frau nickte etwas verwirrt, dann verschwand sie eilig in einem Raum hinter dem Tresen.
„Sie sind ganz blass, Mademoiselle!“, wandte Eiffel sich an Rose. „Hat der Lump, der Sie überfallen hat, Sie am Ende verletzt?“
Rose wollte etwas entgegnen, wollte ihm sagen, dass sie nicht verletzt war, sondern nur völlig verwirrt, aber sie kam nicht dazu. Denn in diesem Moment öffnete sich die Tür des Cafés mit einem leisen Bimmeln und herein kam ...
... Alan!
Rose ächzte. Ihr war jetzt schwindelig. Monsieur Eiffel stand bei ihr und wirkte zur Salzsäule erstarrt. Kein Wunder, dachte Rose. Wenn man Alans Aufzug betrachtete.
Alan trug Jeans und ein Hemd, das er sich offensichtlich eilig übergeworfen hatte, denn er hatte es nicht zugeknöpft. Seine Füße waren nackt. Rose blickte an sich selbst und ihrem Fähnchen von Nachthemd herunter. So wie es aussah, hatte Alan wenigstens ein bisschen Zeit mehr gehabt als sie, bevor es ihn hierher katapultiert hatte.
Sein Blick richtete sich auf sie, als habe er erwartet, sie hier zu finden, aber als sie jetzt seinen Namen hauchte, wurden seine Augen groß. „Du erinnerst dich an mich?“
Sie nickte zögernd. Natürlich erinnerte sie sich an ihn. Wie hätte sie ihn vergessen können. Völlig überwältigt starrte
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