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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Decksteward höflich fragte:
    »Kann ich Ihnen helfen, Frau Baronin?«
    »Und ob!« Thekla trat zurück von dem verworrenen Haufen aus Holz und Segeltuch und zeigte wie anklagend auf den störrischen Liegestuhl. »Ich bin anscheinend zu dumm dazu.«
    Der Steward überhörte das, stellte den Stuhl auf und schob ihn in die richtige Position.
    »Bitte, Frau Baronin!«
    »Sehr nett von Ihnen. Danke, Jean.« Die Baronin blieb stehen, als ginge von der Liege eine stumme Drohung auf. »Sind das besondere Liegestühle, Jean?«
    »Nein. Wieso?« Etwas verwirrt sah Jean die Baronin an. Er kannte sie von vier Fahrten, es waren immer die gleichen Liegestühle und die gleiche windgeschützte schattige Stelle an Bord. »Es sind ganz normale Liegestühle … so, wie Sie sie immer hatten, Frau Baronin. Davon haben wir Hunderte an Bord.«
    »Ganz normal kann dieser Liegestuhl nicht mehr sein!« Sie zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das Möbel und schien nicht zu wagen, sich noch einmal hineinzusetzen. »Der hier ist eine Ausnahme. Er macht sich selbständig.«
    Jeans Blick wanderte von der Baronin zu dem Liegestuhl und dann wieder zurück. Was soll man da antworten? Abwarten und Schweigen war sinnvoller.
    »Ich … ich verstehe nicht, Frau Baronin«, sagte er nur etwas hilflos. »Selbständig … Wieso?«
    »Dieser Liegestuhl ist zweimal von allein weggewandert. Hat sich zusammengeklappt und dort in die Ecken verzogen. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    Ein Steward auf einem Luxusschiff ist allerhand gewöhnt. Da lernt man Menschen kennen wie kaum ein anderer. Vor allem aber lernt man, sich in gewissen Situationen dumm zu stellen. Das ist der beste Panzer gegen alle Absonderlichkeiten, die von den Passagieren abgeschossen werden. Wer den Entgeisterten spielt, von dem kann man keinen Geist erwarten. Auch Jean, der Decksteward, flüchtete sich in Ratlosigkeit. Nun wird sie doch alt, die Baronin, dachte er. Sie beginnt zu spinnen.
    »Nein«, sagte er stockend. »Von allein in die Ecke …?«
    »Zweimal!«
    »Na, so was …«
    »Zusammengeklappt!«
    »Toll …«
    »Das finden Sie toll, Jean?« Die Stimme der Baronin hob sich gefährlich.
    »Ich meine, es ist toll, wie sich hier jemand mit Ihnen einen üblen Scherz erlaubt. Es war sicherlich nur ein Scherz; jemand wollte Sie ärgern. Ein Liegestuhl kann doch nicht von allein wegwandern.«
    »Und sich zusammenklappen, Jean.«
    »Das schon gar nicht. Trotzdem einen schönen Morgen, Frau Baronin!«
    Jean verbeugte sich und war froh, schnell der von einem Unbekannten beleidigten Baronin entkommen zu können. Er lief zur Theke, holte ein neues Tablett mit Kaffee und Bouillon und balancierte es wieder durch die Reihen der in der Sonne Bratenden.
    »Man soll es nicht für möglich halten, welch niederträchtige Menschen es gibt!« sagte die Baronin laut zum Sonnendeck hin. Niemand hörte sie bei dem Stimmengewirr, zumal die Bordband jetzt begann, bis 11 Uhr die Passagiere mit Melodien aus den 20er Jahren zu unterhalten. Aber es tut wohl, so etwas zu sagen.
    Die Baronin rückte den Liegestuhl noch etwas näher an die Verglasung der Deckecke, ging um ihn herum, betrachtete ihn von allen Seiten und entdeckte nichts Außergewöhnliches. Vorsichtig setzte sie sich dann hinein, schüttelte den Kopf, nahm die Tasse vom Boden und schlürfte den noch warmen Kaffee.
    »Verrückt, was man so alles erlebt«, sagte sie nach einem langen Schluck. »Ich habe doch keinem was getan. Das Publikum auf den Schiffen wird auch immer mieser.«
    Es dauerte bis zum Mittagessen, ehe sie sich beruhigt hatte.
    Wer Eduard Hallinsky kannte, ging ihm, wenn es möglich war, aus dem Weg. Für ihn gab es nur zwei Kategorien von Menschen: Die, denen man auf die Schulter klopfen konnte, um sie gleichzeitig zu bescheißen, und die, die er Idioten nannte. Das waren die Intellektuellen, die seine Tricks durchschauten und ihm Schwierigkeiten machten.
    Eduard Hallinsky war das, was man einen Anlageberater nennt. Das ist ein herrlicher Beruf: Man vermittelt Bauherrenmodelle, Beteiligungen an Schiffsbauten, Einlagen in Ölbohrungen in Texas oder Kolumbien, Anteilscheine für neue Kurhotels, alles mit einer beachtlichen Rendite und einer klotzigen Abschreibung bei der Steuer. Nur wenn eine Sache dann schief lief – es lief immer etwas schief –, konnte Eduard Hallinsky unschuldsvoll die Hände heben und nachweisen, daß er ja nur ein Vermittler gewesen sei, nun ebenso enttäuscht wie die entzauberten Anleger. Von der

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