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Der Klavierstimmer

Der Klavierstimmer

Titel: Der Klavierstimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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dem Globus gelangen konnten, entzauberte die Weltkugel. Ich hatte keine Lust mehr, die Beleuchtung darin anzuknipsen. Als ich Frédéric kennenlernte, beneidete ich ihn manchmal insgeheim: wie er sich freuen konnte, wenn ein lange unerfüllbarer Wunsch endlich in Erfüllung ging.»
    Wieso, Maman, ging es nur im Flugzeug, daß du so zu mir sprachst? Warum nicht auch auf der Erde? Je näher wir nach der Landung dem Chemin du Pré-Langard kamen, desto stiller wurdest du. Gleich würdest du wieder GPs Tochter sein, die ihn gegen jede Kritik in Schutz nahm.
    Doch nein: Auch in dieser Hinsicht war die Reise voller Überraschungen. Vor allem eines werde ich nie vergessen: wie du mit seiner Waffensammlung umgesprungen bist. Noch am Tag der Ankunft riefst du den Händler an.«Nennen Sie einen Preis», sagtest du am Tag darauf zu ihm, als alles auf dem Tisch lag. Du hättest jeden Preis akzeptiert, da bin ich sicher. Der leere Glasschrank machte aus dem Raum etwas anderes, fast schien es, als habe sich die Atmosphäre im ganzen Haus verändert. GP, bleich und abgemagert, starrte fassungslos auf den leeren Schrank.«Du hast …», sagte er heiser. Ihr standet euch gegenüber. Du sagtest kein Wort, standest einfach nur da und sahst ihm gerade ins Gesicht, so gerade, wie Papa es getan hätte. GP hielt dem Blick nicht lange stand. In seinem nachlässig übergeworfenen Morgenmantel schlurfte er zu dem leeren Schrank, drehte den Schlüssel und zog ihn ab. Deutlicher hätte er seine Niederlage nicht besiegeln können. Einen Moment lang tat er mir fast leid.
    Es mußte ein Geheimnis geben, das dich so stark und ihn so schwach machte. Du hast es mit ins Grab genommen. Auf dem Rückflug war ich versucht, danach zu fragen. Ich habe es nicht getan. Es hätte bedeutet, an etwas zu rühren, was nur euch beide etwas anging.
    An dieses Geheimnis wirst du gedacht haben, als sich sein Sarg in die Erde senkte. Auf deinen Stock gestützt standest du da, als seist du ganz allein auf der Welt.

Patrice
    SIEBTES HEFT
    MITTEN IN VATERS schönster Arie habe ich den Hauptstecker herausgezogen, an dem die ganze Technik hängt. Ich hatte es nicht kommen sehen. Auf einmal war es genug. Es war genug.
    Eine betäubende Stille setzte ein. Ich blieb im Dunkel sitzen. Es war drei Uhr morgens. Irgendwann schlief ich im Sessel ein. Als ich erwachte, war Tag. Draußen fiel der erste Schnee.
    Mit dem gelben Kaffeebecher trat ich ans Fenster. In den folgenden Tagen bin ich viel am Fenster gestanden und habe in den unaufhörlich fallenden Schnee hinausgesehen. Ab und zu suchte ich nach dem treffenden Wort für die Empfindung, die mich einhüllte wie ein schützendes Tuch. Ich fand es nicht, das passende Wort. Denn Gleichgültigkeit war es keineswegs, was mir zu dieser erlösenden Ruhe verhalf. Jedenfalls nicht Gleichgültigkeit im abweisenden Sinn. Das tonlose Schauspiel der Schneeflocken, es hatte sich besänftigend zwischen mich und die Dinge geschoben. Abstand, dachte ich zwischendurch, vielleicht war das das richtige Wort. Ich hätte ihn gern behalten, diesen wohltuenden Abstand. Ob er bleiben würde, wenn es aufklarte und der Schnee irgendwann schmolz?
    Zum erstenmal seit der Beerdigung ging ich zum Grab. Du und ich, wir waren erstaunt, wie viele Leute damals kamen, trotz allem. Musiker aus der Philharmonie, auch Angestellte. Vor allem Angestellte. Vater kannte sie alle, mit den Pförtnern stand er auf du und du. Aber auch Studenten waren gekommen. Als ich jetzt an sie dachte, sah ich Vater vor mir, wie er in der Wohngemeinschaft am Küchentisch saß und fragte, wie es sei, in einer richtigen Familie aufzuwachsen.
    Nur zwei Menschen waren gekommen, um von Maman Abschied zu nehmen. Nur zwei, beides Frauen. Natalie Lefèvres Tränen, die ohne Unterlaß unter den geschlossenen Lidern hervortraten, werden wir beide nie vergessen. Nach dem ersten Brief aus Monaco hatte Maman sie fast jede Woche angerufen.«Immer wieder wollte sie wissen, wie ich das lange Schweigen deute. Immer wieder. Mit jeder weiteren Woche wurden die Erklärungen, die sie sich ausdachte, noch verwickelter, und manchmal fuhr sie mich an, wenn ich etwas von den vorangegangenen Überlegungen vergessen hatte. Versprochen hat sie sich nur ein einziges Mal. ‹Das kann er nicht machen, nein, das wird er nicht wagen›, sagte sie. ‹Wer?› fragte ich. ‹Ach, nichts›, sagte sie hastig und wechselte das Thema. Erst jetzt, wo ich die Sache mit dem Ritz weiß, ergibt es einen Sinn.»
    Und dann die

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