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Der kleine Dämonenberater

Der kleine Dämonenberater

Titel: Der kleine Dämonenberater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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sich auf den Weg zum Strand zu machen und zu angeln. Den Rest des Tages verbrachte er in seinem Regiestuhl aus Leinen, nippte von Zeit zu Zeit an seinem Wein, zog an seiner Pfeife und wartete darauf, daß sich die lange Brandungsangel mit einem Ruck durchbog.
    An den meisten Tagen wurde sein Geist dabei so klar wie Wasser. Eine völlige Gedankenleere trat ein, jegliche Sorgen fielen von ihm ab, und ohne daß er es bewußt oder unbewußt anstrebte, wurde er eins mit seiner Umgebung: Er erreichte das Mushin des Zen oder den Nicht-Geist. Er war durch eigenes Handeln zum Zen gekommen und hatte erst später in den Schriften von Suzuki und Watts einen Zustand beschrieben gefunden, den er ohne jegliche Disziplin erreicht hatte, indem er einfach nur am Strand saß und den leeren Himmel anstarrte, bis er selbst genauso leer wurde. Zen war seine Religion, ihr verdankte er Ruhe, Ausgeglichenheit und Humor.
    An jenem Morgen jedoch hatte Augustus Brine einige Mühe, seinen Kopf freizumachen. Das Auftauchen des kleinen Arabers in seinem Laden ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Brine sprach kein Arabisch, doch er hatte jedes Wort verstanden, das der kleine Mann gesagt hatte. Er hatte gesehen, wie blaue Wirbel in der Luft herumgeschlängelt waren, und er hatte gesehen, wie die Augen des Arabers vor Zorn weiß geglüht hatten.
    Er rauchte seine Pfeife. Während sein Zeigefinger auf den Brüsten der geschnitzten Meerjungfrau aus Meerschaum lag, versuchte Augustus Brine sich die ganze Situation, die völlig außerhalb seiner Erfahrungen lag, irgendwie zu erklären. Er wußte, daß er, wenn er die Flüssigkeit dieser Erfahrung in sich aufnehmen wollte, das Gefäß seines Geistes vollständig leeren mußte. Doch in diesem Augenblick fühlte er sich eher dazu in der Lage, einen Laib Brot mit einem Strahl Mondlicht zu kaufen als die notwendige Ruhe des Zen zu erreichen. Und das ärgerte ihn.
    »Das ist rätselhaft, stimmt's?« sagte jemand.
    Brine drehte sich erschreckt herum. Der kleine Araber stand etwa einen Meter neben ihm und trank aus einem großen Styroporbecher. Auf seiner roten Strickmütze glitzerten kleine Tropfen der morgendlichen Brandung.
    »Entschuldigung«, sagte Brine, »ich habe Sie gar nicht kommen sehen.«
    »Das ist rätselhaft, stimmt's? Wie diese schneidige Gestalt einfach so aus dem Nichts aufzutauchen scheint! Sie müssen völlig verwundert sein. Oder vielleicht wie gelähmt vor Angst?«
    Brine betrachtete den kleinen Mann mit dem zerfurchten Gesicht und seinem zerknitterten Anzug. Und dann noch diese dämliche rote Mütze! »Gelähmt vor Angst trifft es beinahe«, sagte er. »Ich bin Augustus Brine.« Er streckte dem kleinen Mann die Hand entgegen.
    »Haben Sie keine Angst, daß Sie bei der Berührung meiner Hand in Flammen aufgehen könnten?«
    »Besteht die Gefahr denn?«
    »Nein, aber Sie wissen ja, wie abergläubisch Fischer sein können. Vielleicht glauben Sie ja auch, daß Sie in eine Kröte verwandelt werden. Jedenfalls verstehen Sie es sehr gut, Ihre Furcht zu verbergen, Augustus Brine.«
    Brine lächelte. Die Situation war ebenso wundersam wie belustigend. Er war noch gar nicht auf die Idee gekommen, Angst zu haben.
    Der Araber trank seinen Becher aus und tauchte ihn in die Brandung, um ihn wieder aufzufüllen.
    »Nennen Sie mich doch einfach Gus«, sagte Brine, die Hand noch immer ausgestreckt. »Und wer, bitte, sind Sie?«
    Der Araber trank erneut seinen Becher aus und ergriff dann Brines Hand. Seine Haut fühlte sich an wie Pergament.
    »Ich bin Gian Hen Gian, der König der Dschinn, Herrscher der Niederwelt. Zittere nicht, ich werde dir kein Unheil zufügen.«
    »Ich zittere ja gar nicht«, sagte Brine. »Aber ich wäre an Ihrer Stelle ein bißchen vorsichtig mit dem Meerwasser – es schlägt ziemlich auf den Kreislauf.«
    »Du brauchst nicht vor mir auf die Knie zu fallen; es gibt keinen Anlaß zur Demut angesichts meiner Größe. Vielmehr bin ich es, der dir zu Diensten steht.«
    »Danke. Ich fühle mich überaus geehrt«, sagte Brine. Obwohl ihm die Ereignisse in seinem Laden noch gut in Erinnerung waren, hatte er einige Schwierigkeiten, den kleinen Kerl, der sich dermaßen vor ihm aufplusterte, ernst zu nehmen. Offensichtlich handelte es sich bei dem Araber um einen aus der Irrenanstalt entlaufenen Napoleon. Von dieser Sorte hatte er schon Hunderte gesehen – sie wohnten in Palästen aus Pappkarton und feierten ihre Festgelage mit Leckerbissen von den Müllhalden Amerikas. Dieser hier hatte den

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