Der kleine Dämonenberater
würde er sie durch den Computer jagen. Vielleicht konnte er den Captain überzeugen, daß er nicht ganz und gar mit leeren Händen dastand. Vielleicht hatte er ja wirklich etwas in der Hand. Andererseits konnte man auch versuchen, sich am Piß-Strahl eines Engels zum Himmel hinaufzuhangeln.
Rivera saß mit einer Tasse Kaffe im Archiv des Reviers und betrachtete das Videoband. Nachdem er die Nummer des Ford in den Computer eingegeben hatte, hatte er erfahren, daß der Pick-up einem gewissen Robert Masterson, Alter 29, geboren in Ohio, gehörte. Der Mann war verheiratet mit Jennifer Masterson, ebenfalls Alter 29. Es lag nichts gegen ihn vor außer einer Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer vor zwei Jahren.
Das Video war eine Aufzeichnung der Alkoholprobe mit einem Atemmeßgerät. Das Department des Sheriffs war vor einigen Jahren dazu übergegangen, diese Tests auf Video aufzuzeichnen, um so zu vermeiden, daß die Ergebnisse der Tests wegen Verfahrensfehlern des durchführenden Personals angefochten werden konnte.
»Wir haben doch dasselbe Ziel. Sie setzen Ihre körperliche und geistige Energie ein, um dem Staat zu dienen. Und ich diene dem Staat dadurch, daß ich mich dem widersetze. Trinken ist ziviler Ungehorsam. Ich trinke, um dem Hunger auf der Welt ein Ende zu bereiten, ich trinke, um gegen die amerikanische Politik der Einmischung in Zentralamerika zu protestieren. Ich trinke, weil ich gegen Atomkraft bin. Ich trinke …«
Eine böse Vorahnung überkam Rivera. Wenn The Breeze nicht wieder auftauchte, dann hing seine Zukunft von diesem versoffenen Wrack ab, das offensichtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Er überlegte, wie es wohl sein würde, sein Dasein als Wachmann in einer Bank zu fristen.
Die Polizisten auf dem Bildschirm wandten sich von ihrem Gefangenen ab und schauten zur Tür des Untersuchungszimmers. Die Kamera war in einer Ecke des Raums angebracht, und dank eines Weitwinkelobjektivs entging ihr nichts, was dort passierte. Ein kleiner, arabisch aussehender Mann mit einer roten Strickmütze auf dem Kopf war zur Tür hereingekommen, und die Polizisten sagten ihm, daß er hier falsch sei, und baten ihn zu gehen.
»Entschuldigen Sie bitte, doch kann ich Sie um ein klein wenig Salz angehen?« fragte der kleine Mann. Dann verschwand er vom Bildschirm, als hätte jemand das Band angehalten und ihn herausgeschnitten.
Rivera spulte das Band zurück und schaute es noch einmal an. Diesmal blies Masterson in das Teströhrchen, ohne daß jemand die Prozedur unterbrochen hätte. Es öffnete sich keine Tür, und es kam kein kleiner arabisch wirkender Mann hereinspaziert. Rivera spulte noch einmal zurück: von einem kleinen Mann keine Spur.
Er mußte wohl eingenickt sein, während das Band lief. In seinem Unterbewußtsein war das Band weitergelaufen und die Szene mit dem kleinen Mann hereingeschnitten worden. Das war die einzige mögliche Erklärung.
»Auf diese Scheiße kann ich gut verzichten«, sagte er und kippte seinen Kaffee hinunter. Es war der zehnte für diesen Tag.
-5-
AUGUSTUS BRINE
Es war ein alter Mann, der an den Stränden von Pine Cove angelte und seit vierundachtzig Tagen keinen Fisch gefangen hatte. Dies war für ihn allerdings nicht weiter von Bedeutung, denn als Besitzer des örtlichen Gemischtwarenladens führte er ein recht angenehmes Leben und konnte sich in aller Ruhe seinen beiden Hauptleidenschaften widmen, nämlich dem Angeln und kalifornischen Weinen.
Augustus Brine mochte alt sein, doch er sprühte noch vor Kraft und Vitalität, und sich mit ihm auf einen Kampf einzulassen war eine gefährliche Angelegenheit, auch wenn er den Beweis dafür in den letzten dreißig Jahren höchst selten hatte erbringen müssen. (Wenn man einmal von den wenigen Gelegenheiten absah, bei denen er einen Halbstarken am Wickel gepackt und ihn in den Lagerraum gezerrt hatte, um ihm einen Vortrag über die Segnungen harter Arbeit zu halten, und darüber, wie dumm es war, sich bei Brines Angelbedarf, Bootsausrüstungen und Erlesene Weine als Ladendieb zu betätigen.) Mittlerweile ließ er die Dinge seinem Alter angemessen zwar etwas ruhiger angehen, doch geistig war er noch sehr rege. Es verging kaum ein Abend, an dem er nicht in seinem Ledersessel vor dem Kamin saß, die nackten Füße der Glut entgegenstreckte und dabei in die Lektüre von Aristoteles, Laotse oder Joyce vertieft war.
Sein Haus stand an einem Hang, mit Blick auf den Pazifik. Er hatte es selbst entworfen und
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