Der kleine Fluechtling
dem Motto »Einsparungen« einiges drastisch zu verändern. Die Kostendämpfung schritt munter fort und gipfelte eines Tages darin, dass der Bundeswehrstandort Birkdorf aufgegeben wurde. Von heute auf morgen war die Kaserne geschlossen, sämtliche Soldaten verschwanden, das Munitionsdepot wurde mir nichts, dir nichts ausgeräumt. Und das Kreiswehrersatzamt? Eben.
Wie zuvor ging Fannis Mann jeden Morgen aus dem Haus, kam mittags für eine gute halbe Stunde heim, kehrte dann an seinen Arbeitsplatz zurück und tauchte zwischen fünf und sechs Uhr abends wieder auf. Einmal ließ er eine Bemerkung darüber fallen, dass der gesamte Betrieb seit der Reform mit nur drei Mann aufrechterhalten werden musste.
Welcher Betrieb?, dachte Fanni, hütete sich aber, eine derart subversive Frage zu stellen, und versuchte, ein besorgtes Gesicht zu machen. Das gelang ihr etwas zu gut, denn ihr Mann wurde auf einmal mitteilsam und regte sich des Langen und Breiten darüber auf, dass sein Kollege Senftl mindestens eine Woche pro Monat krank feiere, um seinem Sohn beim Hausbau zu helfen.
Verrat an Volk und Vaterland?, fragte sich Fanni, heroisch das Grinsen unterdrückend, Sabotage, Wehrkraftzersetzung, Guerillakrieg?
Selbst wenn Fanni plötzlich von purer Neugier angepackt worden wäre und wissen hätte wollen, wie die verbliebenen Angestellten des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes ihre Tage letzthin zubrachten, sie hätte nicht zu fragen gewagt. Denn eines war ihr klar: Seit einem guten Jahr waren die Arbeitsstunden des Herrn Rot, der sich einst als Herrscher über die Wehrpflichtigen des gesamten Landkreises fühlte, ebenso sinnentleert wie der Name des Amtes, in dem er saß.
Lust auf mehr?
Diesen und viele weitere Krimis finden Sie auf unserer Homepage unter
www.emons-verlag.de
Weitere Kostenlose Bücher