Urmels großer Flug
In dem das Urmel
heimlich einen Entschluß faßt, der große Aufregung zur Folge hat
Professor
Habakuk Tibatong stand am geöffneten Fenster seines Arbeitszimmers. Er schaute
in den friedlichen Abend hinaus, blickte über die stille Insel Titiwu, hörte
den Wind leise in den Blättern wispern, lauschte auf das ferne Rauschen des
Meeres, atmete tief ein, breitete dabei seine Arme weit aus und sagte: »Wie
froh bin ich, wieder hier zu sein! Nein, ich bin nicht mehr geschaffen für die
Welt, für Technik und Zivilisation, für die großen Städte... Niemand, niemand
darf mir dieses Paradies zerstören!«
Wutz
klapperte eifrig mit Tellern und Tassen, mit dem Geschirr, das sie gerade
abwusch. Eben erst hatte der Professor mit seinem Freund, König Futsch, Tee
getrunken. Dann war dieser wieder abgeflogen, heim nach Pumpolon, im
Hubschrauber. Und damit war des Professors Ausflug in die Stadt ebenfalls
beendet. Er war heimgekehrt auf seine Insel, zu seinen Tieren. »Ich verlasse
euch nicht wieder!« sagte er noch und setzte damit den Schlußpunkt hinter diese
Unternehmung. Seiner Ansicht nach!
»Wenigstens
erzählen wirst du uns aber doch, was du erlebt hast, öfföff«, fragte Wutz, immer
auf Neuigkeiten versessen.
»Natürlich
muß der Professor erzählen, und wie er erzählen muß!« plärrte das Urmel. Es saß
im Schaukelstuhl und wiegte sich hin und her. Vor kurzem war es noch sehr krank
gewesen, es hatte die Masern gehabt und wild geträumt. Aber jetzt war es wieder
gesund und quietschfidel und frech wie eh und je. »Erzähle, erzähle!« drängelte
es. »Schließlich bist du meinetwegen nach Pumpolon geflogen. Schließlich hat
dich der olle Direktor Bengelmann...«
»Zwengelmann!«
»Meinetwegen
auch Engelmann«, maunzte das Urmel. »Aber schließlich hat er dich doch
meinetwegen eingeladen, damit du über mich und alle Urmels, über meinen Papa
und meine Mama und über das Ei im Eis und über all das Vorträge hältst, an der
Gummiversität!«
»Universität!«
»Sag
ich ja! An der Kochschule.«
»An
der Hochschule!«
»Als
du Kochschule sagtest, öfföff«, grunzte Wutz voll Schauder, »mußte ich
plötzlich daran denken, wie uns die Oberbäuche auf dem Planeten Futura zu
Urmelschwanz-suppe zubereiten wollten. Schrecklich!«
»Was
vorbei ist, ist vorbei!« rief das Urmel. »Ich will jetzt wissen, was die
Professors und die Studenten zu mir gesagt haben!«
»Sie
haben höflich zugehört, sie haben höflich gelächelt, ein wenig so, als ob ich
verrückt sei, genau wie früher«, antwortete der Professor. »Aber weil
Zwengelmann mich eingeladen hatte, der ja großes Ansehen genießt, hat man es
mir nicht so geradeheraus wie damals ins Gesicht gesagt, sondern nur gemeint,
die Urmel... nun, diese Bindeglieder zwischen den Dinosauriern und den
Säugetieren... nun, alles, was ich da vorgetragen habe, das sei ja ganz
interessant, aber doch eben nur eine unbeweisbare Theorie.«
»Theorie?
Ist das was Feines?«
»Man
versteht darunter eine Meinung, eine Ansicht, eine Behauptung. In meinem Fall
kann man auch sagen: eine Einbildung, eine wirklichkeitsferne Vorstellung«,
murmelte der Professor ein wenig bitter.
»Ach«,
rief das Urmel aufgebracht, »du hättest den dummen Professors und Studenten und
überhaupt allen doch leicht beweisen können, daß ich keine Stehorie bin,
sondern wahrhaftig vorhanden! Du hättest mich doch bloß zu holen brauchen, und
dann hätte man schon erlebt, wie lebendig ich bin und wie bindegliederisch
zwischen den Dinosauriern und den Säugetieren! Ha! Die ganze Schlummerversität
hätte ich auf den Kopf gestellt und die Professors...«
»Professoren!«
»Ja,
die, und die Studenten hätte ich gezwickt und gekniffen, bis sie am ganzen Körper
Beweise gehabt hätten, wie sehr es mich wirklich gibt!«
»Wahrhaftig,
öfföff«, grunzte Wutz, »das hätte man tun sollen, das Urmel vorstellen, es
zeigen, so lebendig und frech und so ungezogen, wie es ist. Ich finde es auch
empörend, daß man dich, den klügsten Menschen, den ich kenne, immer wieder
beleidigt und für närrisch erklärt!« Sie schmiß den Aufwaschlappen so heftig in
die Schüssel, daß das Wasser spritzte.
Der
Professor kratzte sich am Hinterkopf. »Ich gestehe, daß ich mir das auch einen
Augenblick lang überlegte. Aber es wurde mir gerade noch rechtzeitig klar, daß
es dann aus und vorbei gewesen wäre mit der wunderbaren Einsamkeit, mit der
Abgeschiedenheit von Titiwu, die wir doch bisher so erfolgreich
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