Der kleine Koenig von Bombay
desto grässlicher wurden Deepaks Drohungen.
Konnten sie ihm wirklich etwas antun? Arzee war sich nicht sicher, aber so wie er jetzt hier stand, vor sich Deepak und hinter sich das Ende einer Sackgasse, würde er es vermutlich bald herausfinden.
Deepak war um die dreißig und immer unrasiert. Er trug weite, ausgeblichene Hemden, so wie Arzee, enge Bluejeans, die seine dürren Beine fest umschlossen, und Sneakers, deren lange Schnürsenkel er um die Knöchel gebunden hatte. Sein Blick war missmutig und geistesabwesend, und sein Mund stand meistens offen, als funktionierte seine Nase nicht richtig und brauchte Unterstützung. Deepak war immer zugekifft oder auf dem Weg dahin und ganz offensichtlich zu wenig nütze. Doch anscheinend war er der Bruder von irgendjemand Wichtigem, und die vom Syndikat hatten sich wohl gedacht, dass sie ihn zumindest einsetzen könnten, um einige der kleineren Fische auf ihrer Liste zu schnappen.
Deepaks eine große Leistung im Leben war es, ein verstörend ironisches Gebaren entwickelt und perfektioniert zuhaben. Er hatte so eine Art, die unheilvollsten Dinge auf ausgesprochen freundliche Weise zu sagen, als erkundigte er sich, wie es einem denn so gehe, während er tatsächlich drohte, einem sämtliche Knochen zu brechen. Es war nicht leicht zu erkennen, was er dachte – es schien, als wüsste er es selbst erst im allerletzten Moment. Vielleicht hatte er dieses Verhalten den Gangstern im Kino abgeschaut – er war die Sorte Mann, der genau so ein Gangster sein wollte. Eins wusste Arzee jedenfalls sicher, nämlich dass es Deepak große Freude bereitete, ihn zu quälen. Ihre Beziehung glich der zwischen dem Klassentyrann und dem Kleinsten und Strebsamsten in der Klasse. Wenn er denn irgendwann einmal tatsächlich bezahlte, so Arzees Vermutung, würde seine eigene Erleichterung, ein wenig getrübt durch den Ärger darüber, klein beigegeben zu haben, ihre genaue Entsprechung in Deepaks Befriedigung befinden, die mit Bedauern darüber einhergehen würde, dass ihre Beziehung zu Ende war, ihre gemeinsame Geschichte all der Treffen und Verhandlungen, an die er jetzt so genüsslich wieder anknüpfte.
»Schau nach links«, sagte Deepak, während er sich leicht gebeugt näherte, als wollte er gleich zuschlagen. »Kein Fluchtweg. Schau nach rechts. Da auch nicht. Hinter dir ist das Wasser und vor dir ist Deepak. Auch nach oben kannst du nicht, es sei denn, dir sind unter deinem Hemd Flügel gewachsen. Und nach unten auch nicht – das ist erst dran, wenn du in dein Grab gelegt wirst. Was allerdings nicht mehr lang auf sich warten lassen wird, so wie du dich verhältst.«
Was diesen letzten Punkt betraf, hatte Deepak unrecht! Es war nicht gesagt, dass Arzee begraben werden würde, wenn er tot war – vielleicht würde man ihn einfach einäschern, denn sein Vater war Hindu. Aber es hätte nichts gebracht, Deepak darauf hinzuweisen – es war der falsche Zeitpunkt.
Er lachte nervös und sagte: »Wie … wie … wie geht es dir, Deepakbhai?«
»Wiwiwi?«, äffte Deepak ihn mit einem unfreundlichen Lachen nach. »Wiwiwi? Spielen wir heute Kaninchen? Wiwiwi?«
»Hahaha – guter Witz, Deepakbhai.«
»Dir wird das Lachen schnell vergehen, Zwergenmann! Ist dir eigentlich klar, wie lange ich dir schon auf den Fersen bin und dich um etwas anbettle, was mir gehört? Es hat mich schon drei- oder vierhundert Rupien gekostet, dich zu verfolgen, während du durch die Stadt hüpfst und dich hinter Schulkindern und Briefkästen versteckst. Aber heute bringen wir diese Geschichte zu Ende. Los, wo ist mein Geld?«
»Ich … letzte Woche hatte ich es, Deepakbhai. Und ich wäre auch ins Büro gekommen und hätte bezahlt, aber du hast gesagt, ich soll das Geld
dir
geben, wenn ich es habe.«
»Ich wusste gar nicht, dass du so folgsam bist. Na gut, das verzeihen wir dir. Aber jetzt bin ich da. Wo ist es?«
»Das ist es ja, Deepakbhai – inzwischen habe ich es ausgegeben! Es war ein medizinischer Notfall. Mein Onkel in Maheshwar musste am Herz operiert werden, und ich musste ihm das Geld schicken, sonst hätten sie es nicht gemacht, und dann hätten wir ihn verloren. Wir hätten meinen Onkel verloren, Deepakbhai!«
»Du lügst!«
»Das ist die Wahrheit, Deepakbhai, ich schwöre es bei Gott!«
»Ich schwöre es bei Gott!«, äffte ihn Deepak mit einem Zischen nach.
Er stand einen Moment lang da und rieb sich den Kopf seitlich mit der Handfläche, als wägte er seine Möglichkeitenab. Dann scharrte er mit
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