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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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Gemüse auf dem Markt langweilten ihn nur noch. Und ein Körper, der sich nachts neben seinen bettete, alle Lichter aus, jemand ganz nah und weich, ihr Ein- und Ausatmen, während sie darauf wartete, in dieser Dunkelheit und Stille von wandernden Fingern berührt zu werden. Ja, das war’s! Er dachte an die fünftausend Rupien, die zwischen dem Einkommen des leitenden Filmvorführers und seinem eigenen lagen, und an all die kleinen Befriedigungen, die er sich und anderen bald würde verschaffen können: Perlen und Halsketten für seine Mutter, Armreife und Modeschmuck für seine Frau, auch für Mobin irgendwas, und dann Pfefferminzbonbons und kandierte Kirschen, weiße Hemden aus dem Restpostenladen, einen Gürtelmit Drachenschnalle, Lotterielose, im Sommer kistenweise Mangos, dicke Fische, fleischige Hühner, Wolken von Parfum und Deodorant! Ihm schien, dass die ganze Welt in Portionen à fünftausend Rupien erhältlich war. Und er dachte ans Noor und an die vielen schönen Frauen, seine Freundinnen, die im ersten Stock in einer langen Reihe auf ihn warteten, um ihm zu gratulieren und zu verkünden, dass sie von diesem Tag an alle sein waren. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und drehten sich im Kreis, und manchmal war er es, der sie dachte, manchmal wiederum schien es, als dächten sie ihn.
    Er passierte das graue Gebäude, in dem er wohnte – von oben aus dem zweiten Stock konnte er das Plärren des Fernsehers hören, denn seine Mutter schaute ihre Seifenopern immer mit voll aufgedrehtem Ton –, und dann die leere Schule, deren blaues Tor gerade vom Wachmann verschlossen wurde. Statt geradeaus weiterzugehen, bog er in einen Durchgang zwischen zwei Gebäuden, so schmal, dass man ihn kaum wahrnahm. Es war eine Art Niemandsland, wo alle ihren Müll hinschmissen und nie jemand Ordnung schaffte. Eine zerbrochene Klobrille lag da herum und ein roter Plastikstuhl mit nur drei Beinen. Der Boden war von einer quatschenden Pampe aus Plastiktüten, Gemüseabfällen und Eierschalen bedeckt. Entlang der Wände sprossen hohe Gräser, in denen kleinere Abfälle hingen wie kranke Blüten. Kleine Frösche von der gleichen Farbe wie der Morast hüpften mit federnden Sprüngen von hier nach da, nach dort und wurden unsichtbar, sobald sie gelandet waren. Arzees Schuhe versanken im nassen Boden, und als er sich umschaute, um sich zu vergewissern, ob ihn jemand hatte hier einbiegen sehen, sah er, dass ihm nur seine eigenen Fußstapfen folgten. Er erreichte eine niedrige Steinmauer, hinter der ein dünnes Wispern zu hören war. Erkrempelte seine Hose hoch und hievte sich, mit den Füßen in Rissen und Spalten Halt suchend, auf die Mauer hinauf. Dann schaute er auf das seidig schimmernde Wasser hinunter.
    Ja, hier stank es ganz widerlich, aber zugleich war es wunderbar still und ruhig. Niemand sonst kam hierher, und er konnte die Annehmlichkeiten dieses Ortes ganz allein genießen. Wie zur Feier seines Kommens war über ihm eine milchige Sonne am Himmel erschienen, so dass sein Spiegelbild in dem Abwasserkanal aussah, als trüge er einen Heiligenschein. Er betrachtete sich ausgiebig und fand bestätigt, was er bereits wusste: Er hatte eine hohe Stirn, dichtes, welliges Haar, volle, rosige Lippen und dunkle Augen, die etwas verdrießlich und unfroh dreinschauten. Er sah gut aus, keine Frage. Aber was hatte er davon? Gutes Aussehen definierte sich eben nicht nur über Form und Farbe, sondern auch über die Größe. Selbst sein Spiegelbild hatte etwas Seltsames, Verkümmertes, wie ein Gedanke, der laut ausgesprochen irgendwie nicht mehr stimmt. Der beißende Gestank des Abwassers war so penetrant, dass Arzees Nasenlöcher schmerzten. Trotzdem schien es in dem Kanal Fische oder andere Formen von Leben zu geben – Algen vielleicht oder Mikroben –, denn auf der Wasseroberfläche blubberten immer wieder stoßweise Bläschen auf. Es hatte etwas Friedliches, dem rinnenden Wasser zuzusehen. Arzee dachte an jene Einstige, Verlorene, deren Weg von seinem abgezweigt war und die diesen Tag in seinem Leben nun nicht miterlebte. Sie war gegangen, doch er hatte weitergemacht und gelernt, stark zu sein, und jetzt ging es ihm gut, nur manchmal dachte er noch an sie. Er spuckte ins Wasser, wie um den Gedanken loszuwerden.
    Wie eigenartig! Es kam Arzee vor, als riefe jemand seinen Namen. »Arzee!« »AR-zee!« »AR-ZEE!« Durch den Widerhallin seiner eng umschlossenen Zuflucht schien es geradezu, als stiege die Stimme aus der tintigen Tiefe unter

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