Zauber-Suche
1
Das Skelett im Kleiderschrank
Der Zauberschnüffler näherte sich Bink in gemächlichem Tempo. Seine gelenkige Schnauze schnüffelte eifrig. Als er ihn dann erreicht hatte, gebärdete er sich wie wild vor Entzücken, stieß flötende Geräusche aus, wedelte mit seiner buschigen Rute und rannte unablässig im Kreis um Bink herum.
»Klar, Schnüffler, ich mag dich ja auch!« sagte Bink und kauerte sich nieder, um das Tier zu umarmen. Der Zauberschnüffler gab ihm einen feuchten Kuß auf die Nase. »Du warst einer der ersten, die an meine Magie geglaubt haben, als –«
Bink hielt inne, denn das Wesen benahm sich seltsam. Es tanzte plötzlich nicht mehr umher, sondern machte einen bedrückten, beinahe verängstigten Eindruck. »Was ist los, kleiner Freund?« fragte Bink besorgt. »Habe ich irgendwas gesagt, was dich verletzt hat? Entschuldige!«
Doch der Schnüffler zog den Schwanz ein und schlich sich davon. Bink starrte ihm betrübt nach. Es war fast, als sei die Magie plötzlich abgestellt worden, so daß das Wesen seine Funktion plötzlich verloren hatte. Doch Binks Talent war, wie alle magischen Talente, angeboren. Solange er lebte, lebte es mit ihm. Es mußte irgend etwas anderes gewesen sein, was den Schnüffler vertrieben hatte.
Bink blickte sich beunruhigt um. Im Osten befand sich der Obstgarten von Schloß Roogna, dessen Bäume alle möglichen exotischen Früchte trugen, aber auch Gemüse und verschiedene Gegenstände wie Kirschbomben und Türknäufe. Im Süden lag die ungezähmte Wildnis des Landes Xanth. Bink erinnerte sich daran, wie bedrohlich der Urwald ihm und seinen Gefährten damals erschienen war, als er sie hierhin getrieben hatte. Doch das war lange her. Heute waren die Bäume freundlich gesinnt. Ihr einziger Wunsch war es gewesen, daß auf Schloß Roogna ein Magier leben sollte, der es wieder seiner ursprünglichen Größe entgegenführen würde. Das hatte König Trent auch getan, und nun wirkte die beträchtliche Kraft dieses Ortes im Dienste des Königreichs. Alles schien in bester Ordnung zu sein.
Also dann, an die Arbeit! Heute abend sollte ein Ball stattfinden, und seine Schuhe waren ziemlich durchgetreten. Er schritt an den Rand des Obstgartens, wo sich ein Schuhbaum hin verirrt und Wurzeln gefaßt hatte. Schuhe liebten die Bewegung und das Reisen und pflanzten sich oft an den unwahrscheinlichsten Orten an.
Dieser Baum trug einige reife Schuhe. Bink musterte sie, ohne welche zu pflücken, bis er sicher war, ein passendes Paar für sich gefunden zu haben. Er drehte sie vom Ast ab, schüttelte die Samen heraus und zog sie vorsichtig über seine Füße. Sie waren recht bequem und sahen auch nett aus, weil sie noch frisch waren.
Er machte sich auf den Rückweg, wobei er mit vorsichtigen Bewegungen versuchte, die Schuhe einzulaufen, ohne sie zu sehr zu belasten. Dabei mußte er immer noch an das Erlebnis mit dem Zauberschnüffler denken. War es ein Omen? Hier im Lande Xanth trafen Omen stets ein, aber es war nur selten möglich, sie richtig zu verstehen, bevor es zu spät war. Würde ihm etwas Schlimmes widerfahren? Das war doch recht unwahrscheinlich. Bink wußte, daß er ohne jede Übertreibung davon ausgehen konnte, daß erst ganz Xanth vom Unheil heimgesucht werden mußte, bevor ihm selbst Schaden zugefügt werden konnte. Er mußte das Omen also falsch gedeutet haben. Der Zauberschnüffler litt wahrscheinlich nur unter schlechter Verdauung und hatte sich deswegen davonmachen müssen.
Bald erblickte er sein Heim. Es war ein schöner Hüttenkäse direkt am Rande der Palastanlagen, in den er nach seiner Heirat eingezogen war. Die Rinde war schon lange hart geworden und hatte den größten Teil ihres Aromas verloren, und die Wände bestanden aus feinkörnigem kremgelbem, versteinertem Käse. Es war weit und breit eine der schönsten Hütten, doch da er den Käse nicht selbst ausgehöhlt hatte, hielt er es für unangemessen, damit zu prahlen.
Bink atmete tief durch, beruhigte sich etwas und öffnete die vordere Rindentür. Ein süßlicher Duft von reifem Käse schlug ihm entgegen, zusammen mit einem markerschütternden Schrei.
»Bist du’s, Bink? Wird aber auch Zeit! Wohin hast du dich denn schon wieder verdrückt, gerade jetzt, wo es so viel Arbeit gibt? Du nimmst aber auch nicht die geringste Rücksicht auf andere!«
»Ich brauchte Schuhe«, sagte er knapp.
»Schuhe!« rief sie ungläubig. »Du hast doch Schuhe, Idiot!« Im Augenblick war seine Frau wesentlich klüger als er,
Weitere Kostenlose Bücher