Der kleine Lord
Fauntleroy. »Schade, daß mein Geburtstag nicht am
vierten ist, dann könnten wir's miteinander feiern –
gelt?«
Es muß leider zugestanden werden, daß die
Freundschaft zwischen dem Grafen und Mr. Hobbs sich vor der Hand noch
nicht bis zu der im Interesse der britischen Aristokratie dringend
wünschenswerten Innigkeit entwickelt hatte. Mylord hatte im
Umgange mit Spezereihändlern unglücklicherweise
ebensowenig Erfahrung wie Mr. Hobbs in dem mit
»'ristokraten«, und es mochte wohl daran liegen,
daß das Gespräch zwischen ihnen nicht recht in
Fluß kommen wollte. Ferner muß zugegeben werden,
daß die Herrlichkeiten, welche Fauntleroy dem Freunde zu
zeigen für seine Pflicht hielt, einen einigermaßen
überwältigenden Eindruck auf ihn gemacht hatten, so
daß sein Selbstgefühl etwas an fröhlicher
Sicherheit eingebüßt zu haben schien.
Das äußere Thor, die steinernen
Löwen und die Avenue hatten ihre Wirkung auf das
Gemüt des stolzen Republikaners schon nicht ganz verfehlt, und
der Anblick des Schlosses selbst, der Terrassen und Blumenbeete, der
Gewächshäuser und des unterirdischen
Gefängnisses, der Pfauen und Hunde, der Ställe und
Waffen, des großen Treppenhauses und der zahllosen
Livreediener hatte ihn dann etwas aus der Fassung gebracht, der
Ahnensaal jedoch war es, der ihn um den Rest seiner Gemütsruhe
brachte.
»Na, scheint so was wie ein Museum, hm?«
fragte er, als Fauntleroy ihn in den großen, herrlichen Raum
führte.
»Nein, ich – ich glaube nicht,«
sagte Cedrik etwas unsicher. »Ich glaube nicht, daß
es ein Museum ist. Großvater sagt, das alles seien Verwandte,
Onkel und Tanten von ihm.«
»Die alle,« stieß Mr. Hobbs
erschüttert hervor. »Die alle, Onkel und Tanten, der
Großonkel muß aber eine Familie gehabt haben! Hat er
sie alle aufgezogen?«
Er sank ergriffen von der Größe solchen
Familienglücks in einen Stuhl und sah ganz aufgeregt um sich,
bis es Lord Fauntleroy nicht ohne Schwierigkeit gelang, ihm auseinander
zu setzen, daß es sich bei den sämtliche
Wände vollständig bedeckenden Porträts nicht
um die Nachkommenschaft eines einzigen Großonkels handle.
Zu guter Letzt fand er es aber doch geraten, Mrs. Mellon zu
Hilfe zu rufen, welche die Geschichte jedes einzelnen Bildes und die
Namen der Maler kannte, und die noch überdies höchst
romantische und merkwürdige Dinge aus dem Leben der hier
verewigten Lords und Ladies zu erzählen muhte. Nachdem Mr.
Hobbs den Stammbaum des Hauses Dorincourt einigermaßen
begriffen und einige derartige Erzählungen gehört
hatte, fing er an, unter den Schätzen Schloß
Dorincourts die Ahnengalerie fast am höchsten zu stellen, und
manch liebes Mal sah man ihn von den »Dorincourts
Arms«, wo er Quartier genommen hatte, herüberwandeln,
um eine Stunde im Ahnensaale zu verbringen und unter stetem
Kopfschütteln die gemalten Damen und Herren anzustarren, die
ihn ihrerseits ebenso verwundert wieder anstarrten.
»Und lauter Grafen oder beinahe Grafen,«
sagte er dann vor sich hin. »Und er wird auch so
einer!«
Im Innersten waren ihm die »'ristokraten«
und ihre Art zu leben keineswegs so sehr zuwider, als er sich gedacht
hatte, und es ist sehr zweifelhaft, ob seine republikanischen
Grundsätze durch die nähere Bekanntschaft mit
Schlössern und Ahnen und all den sonstigen Annehmlichkeiten
nicht in ein bedauerliches Schwanken gerieten. Eines Tages wenigstens
vernahm man eine Aeußerung aus seinem Munde, die zu solchem
Verdacht Anlaß zu geben ganz geeignet war.
»Na, ich würd' mir am End' nichts draus
machen, auch so ein Graf zu sein.« Das ließ tief
blicken.
Es war ein großer Tag für alle, Lord
Fauntleroys achter Geburtstag, und Seine kleine Herrlichkeit war
glückselig dabei. Wie schön sah der Park nicht aus,
gedrängt voll Menschen in ihren besten, buntesten Kleidern und
die Zelte mit flatternden Fähnlein darauf, und die
große Flagge, die vom Schlosse wehte. Kein einziger, der
kommen durfte und konnte, war zu Hause geblieben, denn alle, alle waren
ja von Herzen froh, daß ihr keiner Lord Fauntleroy auch
gewiß und wahrhaftig ihr Lord Fauntleroy bleiben und dereinst
ihr Herr werden sollte. Jedermann wollte ihn heute sehen, ihn und seine
hübsche kleine Mutter, die schon so viele Herzen gewonnen
hatte, und jedermann hatte etwas mehr Achtung und weniger Furcht vor
dem alten Herrn, weil der kleine Junge ihn so lieb hatte und so
unverbrüchlich an
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