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Der kleine Mann

Der kleine Mann

Titel: Der kleine Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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sagte: „Das beste wird sein, Sie machen sich gleich eine Notiz. Hier ist mein Füllfederhalter.“
    „Danke schön, ich habe Kugelschreiber und Notizblock stets bei mir. Sie gehören ja zu meinem Beruf. Es ist gewissermaßen mein Handwerkszeug.“ Der Direktor griff schwungvoll ins Jackett. Er suchte und suchte und fand nichts. „Merkwürdig“, murmelte er. „Kein Block! Kein Kugelschreiber! Ich kann sie doch nicht im Büro gelassen haben. Das wäre das erste Mal im Leben.“ Und er suchte immer weiter. Plötzlich wurde er kreidebleich und flüsterte: „Meine Brieftasche hab ich auch nicht bei mir! Es ist eine Menge Geld drin.“
    „Nur ruhig Blut“, meinte der Jokus. „Rauchen Sie am besten erst einmal eine Zigarette! Mir dürfen Sie auch eine anbieten. Ich habe Appetit drauf.“
    „Mit Vergnügen“, sagte der Direktor und griff bereitwillig in die rechte Tasche. Dann in die linke. Dann in die Hosentaschen. Sein Gesicht wurde lang und immer länger. „Auch vergessen“, stammelte er. „Das Zigarettenetui und das goldene Feuerzeug, beides fehlt...“
    „Ich kann aushelfen“, erklärte der Professor und holte ein Zigarettenetui und ein goldenes Feuerzeug hervor. Der Hoteldirektor starrte den Professor betroffen an. „Was ist denn? Fehlt Ihnen etwas?“
    „Ich bitte um Entschuldigung“, sagte der Direktor zaghaft, „aber wäre es möglich, daß das Zigarettenetui und das Feuerzeug in Ihrer Hand gar nicht Ihnen gehören, Herr Professor? Sondern mir?“
    Der Jokus betrachtete die zwei Gegenstände genau und fragte verblüfft: „Tatsächlich?“
    „Auf dem Etui muß mein Monogramm eingraviert sein. Ein G und ein H. Gustav Hinkeldey. So heiße ich nämlich.“
    „Ein G und ein H?“ meinte der Professor und blickte prüfend auf das Etui. „Stimmt, Herr Hinkeldey!“ Geschwind gab er die Gegenstände zurück.
    „Entschuldigen Sie tausendmal, daß ich so offen war, Sie darauf hinzuweisen...“, begann der Direktor verlegen.
    „Nicht doch, nicht doch, Herr Hinkeldey! Wenn sich einer von uns beiden zu entschuldigen hat, dann doch ich! Entschuldigen Sie also, — aber ich bin manchmal so zerstreut, daß ich Dinge einstecke, die mir überhaupt nicht gehören.“ Der Professor klopfte sich sorgfältig auf die Taschen. „Nanu, da steckt ja noch mehr!“ rief er verwundert und brachte einen Notizblock und einen Kugelschreiber zum Vorschein. „Womöglich ist auch dies Ihr Eigentum?“
    „Ja natürlich!“ erklärte Herr Hinkeldey eifrig und nahm beides blitzartig an sich. „Ich konnte gar nicht begreifen, daß ich den Block nicht bei mir hatte.“ Dann wurde er still und nachdenklich, bis er endlich mißtrauisch fragte: „Haben Sie in Ihrer Zerstreutheit vielleicht auch meine Brieftasche eingesteckt?“
    „Das wollen wir doch nicht hoffen!“ antwortete der Professor und tastete sich ab. „Oder ist sie das hier?“ Er schwenkte eine schwarze Tasche aus Saffianleder in der Linken.
    „Jawohl!“ rief der Direktor, riß sie an sich und lief eilends zur Tür, als habe er Angst, die Tasche könne noch einmal verschwinden.
    „Ist das Geld noch drin?“ fragte der Jokus belustigt.
    „Ja!“
    „Zählen Sie die Scheine lieber nach! Ich möchte nicht, daß Sie später behaupten, es hätte Geld gefehlt. Setzen Sie Ihre Hornbrille auf, und zählen Sie genau nach!“
    „Meine Brille? Die hab ich doch schon auf!“ sagte Herr Hinkeldey.
    Erst als der Kleine Mann zu lachen begann und immer lauter und immer herzlicher lachte, wurde Hinkeldey stutzig, griff sich an die Nasenwurzel und ließ die Hand verdutzt sinken. „Wo ist sie denn plötzlich?“
    „Tja, wo steckt man denn seine Brille hin, wenn man sie in Gedanken absetzt?“ fragte der Professor hilfreich. „Ich weiß so etwas leider nicht. Denn ich selber habe noch nie im Leben eine Brille getragen. Haben Sie sie im Futteral?“
    Der Kleine Mann verschluckte sich fast vor Gelächter. „Hör auf, lieber Jokus!“ schrie er vor Wonne. „Ich kann nicht mehr! Ich kippe gleich vor Lachen aus deiner Brusttasche!“
    Der Direktor schaute finster drein. „Was ist denn daran so komisch?“ knurrte er. Plötzlich ging ihm ein Licht auf: Seine Brille saß auf der Nase des Professors! Mit einem Satz stand er mitten im Zimmer, ergriff die Brille, sprang zur Tür zurück und stieß hervor: „Sie sind ja ein Teufelskerl!“

    „Nein, ein Zauberkünstler, Herr Hinkeldey.“
    Doch der Hoteldirektor ließ sich auf nichts mehr ein. Nicht einmal auf eine Unterhaltung.

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