Der kleine Mann
Dabei hat sie das gar nicht nötig.“
„Warum denn nicht?“
„Morgen ist Minna an der Reihe“, sagte Mäxchen.
Über den Welterfolg an dieser Stelle ausführlich zu berichten, ist natürlich ganz unmöglich. Aber der Pressechef des Zirkus Stilke hat alle Fotos, Berichte, Interviews und Briefschaften gewissenhaft gesammelt und geordnet.
Wer sich für solche Einzelheiten interessiert, muß sich an das Stilke-Archiv wenden. Der Pressechef, ein eifriger und gefälliger Mensch, heißt Kunibert Kleinschmidt und gibt auf höfliche Anfragen ziemlich gern Auskunft. (Rückporto beilegen!)
Den Kleinkram lasse ich also beiseite. Daß in den Illustrierten große Fotoserien erschienen, zum Teil schön bunt, das versteht sich ja von selber. Die französische Wochenzeitschrift ,Paris Match’ brachte Mäxchen, auf dem Handteller des Jokus, als farbiges Umschlagbild. Im Fernsehen konnten Millionen Leute zuschauen, wie Mäxchen die Schnürsenkel des Oberbürgermeisters heimlich aus den Ösen herauszog. Die amerikanische Illustrierte ,Life’ bot dem Kleinen Mann hunderttausend Dollar, wenn er seine Memoiren schriebe und ihr den Vorabdruck überließe. Eine internationale Ärztekommission kündigte ihren Besuch an, weil sie, aus wissenschaftlichen Gründen, die körperliche und geistige Verfassung des Kleinen Mannes testen und darüber berichten wolle. Die Filmfirma Metro-Goldwyn-Mayer verhandelte, wegen eines Breitwandfilms, mit Mäxchen und dem Professor in den Hauptrollen. Ein Zündholzkonzern bat um die Lizenz, seine Streichholzschachteln künftig mit einem Schildchen bekleben zu dürfen, worauf ,Der Kleine Mann gibt Ihnen Feuer* stehen sollte.
Manches erlaubte der Jokus. Manches lehnte er, rundweg oder wenigstens vorläufig, ab. „Aber den Film in Hollywood, den könnten wir doch machen“, sagte Mäxchen.
Der Professor schüttelte den Kopf. „Das hat Zeit. Später einmal. Immer hübsch eins nach dem andern.“
Einiges muß ich aber doch etwas ausführlicher erzählen. Zum Beispiel die Sache mit dem Brief aus dem Dorfe Pichelstein, der eines Tages eintraf. Er lautete folgendermaßen:
Mäxchen freute sich über den etwas unbeholfenen Brief so sehr, daß er zu Rosa Marzipan sagte: „Weißt du was? Ich möchte diesem Ferdinand gleich antworten. Darf ich dir den Brief diktieren und mich dabei auf die Schreibmaschine setzen?“
Das Marzipanmädchen, das neuerdings oft im Hotelzimmer war und dem Jokus bei der Korrespondenz half, erklärte: „O.K., junger Freund“, spannte einen Briefbogen ein, setzte den Kleinen Mann auf den Wagen der Reiseschreibmaschine und meinte: „Ich bin ganz Ohr!“ Mäxchen diktierte ihr also den Dankeschön-Brief an Ferdinand Pichelsteiner und fuhr, während Rosa tippte, auf dem Wagen nach links, bis das Klingelzeichen ertönte. Dann schob sie die Walze samt dem Kleinen Mann nach rechts, und die Fahrt begann von neuem.
Als er gerade diktierte: „Ihr dankbares Mäxchen Pichelsteiner, Artist“, trat der Jokus ins Zimmer. Er hatte unten in der Hotelhalle mit dem Anwalt einer Nürnberger Spielzeugfabrik verhandelt und sagte: „Büroschluß, meine Herrschaften! Gleich gibt’s Kaffee mit Apfelkuchen!“
Rosa wollte schon den Briefbogen ausspannen, da rief Mäxchen aufgeregt: „Bitte, noch nicht! Ich habe was Wichtiges vergessen!“ Und nun diktierte er noch einige Sätze, die mit der Ehrenmitgliedschaft im Turnverein nicht das mindeste zu tun hatten:
„Sie dürfte natürlich auch ihre Eltern mitbringen“, sagte der Jokus. Und Mäxchen diktierte:
Der Kleine Mann hielt den Kopf gesenkt, während er diese Sätze diktierte und auf dem Wagen der Schreibmaschine hin- und herfuhr.
Das Marzipanfräulein und der Jokus wechselten einen verständnisvollen Blick. „Weißt du was?“ sagte Rosa zu dem kleinen Kerl. „Den Briefschluß mit dem üblichen Drum und Dran und Winkewinke brauchst du mir nicht zu diktieren. So was kann ich freihändig aus dem Stand.“
Mäxchen nickte und murmelte: „Danke schön.“
Bei dieser Gelegenheit muß ich einen anderen wichtigen Brief erwähnen. Der Absender war König Bileam von Bre-ganzona. In seinem Königreich, aber auch im Ausland, heißt er seit langem Bileam der Nette. Und jeder, der ihn kennt, behauptet, das sei noch viel zu wenig. Eigentlich müsse er Bileam der Beste heißen.
Er trägt eine goldne Krone und einen schwarzen Hut, und zwar beides gleichzeitig. Die juwelengeschmückte Krone ist nämlich auf der Hutkrempe festgenäht, und das
Weitere Kostenlose Bücher