Der kleine Mann
sieht gar nicht so übel aus. Doch genug über Hutmoden.
Jedenfalls, auch dieser König Bileam schickte einen Brief. Auch er und die Königin und der Kronprinz und die Prinzessin seien von der Übertragung im Fernsehprogramm begeistert gewesen. Hoffentlich mache der Zirkus Stilke recht bald Ferien. Dann müßten der Kleine Mann und sein Professor sofort und unbedingt als Gäste nach Breganzona ins Residenzschloß kommen. Prinzessin Judith und Osram, der zehnjährige Kronprinz, könnten es kaum erwarten.
Zunächst einmal hätten die beiden Kinder ihre Sparbüchsen ausgeleert und für den Kleinen Mann ein Geschenk besorgt und abgeschickt, das ihm vielleicht Freude machen würde.
Schon zwei Tage später trafen zwei stabile Kisten ein. ,Königliches Geschenk* stand auf den Kisten, und das war nicht übertrieben. Die eine Kiste enthielt eine komplette Wohnung in Spielzeuggröße: ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche mit Elektroherd und ein Badezimmer mit kaltem und heißem Wasser. Kleine Lampen, Wasserspeicher, auswechselbare Batterien, — alles war vorhanden, nichts hatte man vergessen, es war ein kleines Wunderwerk!
In der zweiten Kiste befand sich ein großer niedriger Tisch, worauf die vier Zimmer nebeneinander bequem Platz hatten. Eine Zellophantüte hätten Rosa und der Jokus beim Auspacken ums Haar übersehen und mit der Holzwolle fortgeworfen. Das wäre schade gewesen. Denn in der Tüte steckte eine schmale seidene Strickleiter, die man an der Tischplatte festhaken und auf deren Sprossen Mäxchen zu seiner komfortablen Eigentumswohnung emporklettern konnte.
Das tat er auch, kaum daß die Wohnung auf dem Tische stand. Er war selig, als er so durch die Räume spazierte, das Licht einschaltete und auf dem Küchenherd, in einer der winzigen Pfannen, ein Häppchen Rindsfilet briet, das der Kellner, mit einem Klecks Butter und kleingehackter Zwiebel, angebracht hatte. Sie kosteten alle, auch der Kellner, und fanden die Kostprobe vorzüglich.
Mäxchen selber konnte nicht mitreden. Denn für ihn war nichts übriggeblieben.
Nach der Zirkusvorstellung badete er in der eignen Badewanne und sagte zum Jokus, der amüsiert zuschaute: „Das ist natürlich ganz etwas andres als die blöde Seifenschale.“
Dann legte er sich in das himmlisch weiche Bett im eignen Schlafzimmer, dehnte sich behaglich und murmelte: „Das ist natürlich ganz etwas andres als die alte Streichholzschachtel.“
Aber am nächsten Morgen, da lag er in der alten Streichholzschachtel auf dem alten Nachttisch.
„Nanu“, sagte der Jokus. „Was ist denn passiert?“
Der Kleine Mann lächelte verlegen. „Ich bin mitten in der Nacht umgezogen.“
„Und warum?“
„Die alte Streichholzschachtel ist natürlich ganz etwas andres“, erklärte Mäxchen.
16. Kapitel
Der Kleine Mann am eignen Herd / Ruhm strengt an / Und Ruhm macht müde / Der zweite Brief aus Pichelstein / Nürnberger Spielzeug / Ein Lied wird populär / Der Jokus macht eine schreckliche Entdeckung: Mäxchen ist spurlos verschwunden!
Das Geschenk des Königs Bileam und seiner zwei Sprößlinge war für die Fotoreporter wieder einmal, wie es so treffend heißt, ein gefundenes Fressen. Sie drängten sich mit ihren Apparaten ins Hotelzimmer, knipsten, was das Zeug hielt, und bescherten der Welt neue Bilderserien mit prächtigen Unterschriften: ,Der Kleine Mann mit Schürze und Kochmütze am eignen Herd’, ,Der Kleine Mann hält im neuen Schaukelstuhl Siesta’, ,Der Kleine Mann vor dem Regal mit seiner Miniaturbücherei’, ,Der Kleine Mann im Himmelbett aus Breganzona’, ,Der Kleine Mann zum ersten Mal in einer Badewanne’, ,Der Kleine Mann zeigt den Tauben Minna und Emma seine Gemächer’, — es wollte kein Ende nehmen.
Als die nervenlosen Burschen mit ihren Kameras und Blitzlichtern schließlich verschwunden waren, zog sich Mäxchen ärgerlich an den Haaren und rief dreimal hintereinander: „Warum bin ich nicht der Leutnant Unsichtbar?“
„Ruhm strengt an“, bemerkte der Jokus. „Das gehört sich so. Außerdem werden wir die Fotos in ein Album kleben und nach Breganzona schicken. Da werden sich der König und die Königskinder sicher freuen.“
„Das machen wir“, sagte der Kleine Mann. „Aber die Einladung müssen wir vorläufig ablehnen. Ruhm strengt an.“ Dann schlüpfte er in seinen Trainingsanzug und kletterte eine Stunde auf dem schönen Waldemar herum. Danach legte er sich in die Streichholzschachtel, gähnte gewaltig und murmelte vorm
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