Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kleine Mann

Der kleine Mann

Titel: Der kleine Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
kicherten und hielten die Hand vor die Telefonmuschel.
    Doch viel Zeit zum Lachen blieb ihnen heute nicht. Die Anrufe in der Zentrale rissen nicht ab. Alle Welt wollte den Kleinen Mann sprechen. Darunter war auch eine aufgeregte Frauensperson. Sie erkundigte sich, ob der Kleine Mann schon verheiratet sei.
    „Ich habe ihn gestern abend im Zirkus gesehen“, sagte die Frau, „und bin von ihm völlig fasziniert. Ist er noch zu haben?“
    „Leider nein“, antwortete Fräulein Arabella. „Er ist seit sechs Jahren mit der Kronprinzessin von Australien verlobt. Und die wird ihn nicht hergeben.“
    „Was will er denn bei den Känguruhs?“ fragte die Frauenstimme ärgerlich. „Ich habe einen Laden für Baby- und Kinderkleidung. Das wäre für ihn viel gescheiter. Verbinden Sie mich, bitte, mit seinem Zimmer!“
    Fräulein Arabella schüttelte den Lockenkopf. „Völlig ausgeschlossen, gnädige Frau! Er darf nicht gestört werden. Reichen Sie doch Ihr Gesuch schriftlich ein! Und vergessen Sie nicht, Ihre werte Fotografie beizufügen. Der junge Herr ist sehr schönheitsdurstig.“
    Natürlich waren nicht alle Anrufe so albern wie dieser. Doch auch vernünftigere Telefonate zu Hunderten kosten Zeit und Nerven. Den Fräuleins am Klappenschrank und dem Portier in seiner Loge rauchten die Köpfe.

    Indessen saßen der Jokus und Mäxchen auf dem Balkon und frühstückten in aller Gemütsruhe.
    „Du sollst den Marmeladenlöffel nicht ablecken“, mahnte der Professor.
    „Das gilt ab heute nicht mehr“, behauptete Mäxchen. „Wenn man so berühmt ist wie ich, darf man das.“
    „Du hast eine etwas merkwürdige Auffassung vom Berühmtsein“, sagte der Jokus.
    Die zwei Tauben saßen im Blumenkasten. Das Kaninchen steckte den Kopf zum Balkongitter hinaus. Für die drei Tiere war der ruhmreiche Tag ein Tag wie jeder andere.
    Der Kleine Mann zwinkerte vergnügt. „Minna, Emma und Alba“, zählte er auf. „Nun fehlt nur noch Rosa.“ Dann klopfte es dreimal, und der erste Besucher erschien. Es war aber nicht Rosa Marzipan, sondern der Herr Direktor Brausewetter. Mit der einen Hand schwenkte er den Zylinder, und mit der anderen Hand überreichte er die Morgenzeitungen.

    „Der Erfolg ist sensationell“, ächzte er und sank in einen Stuhl. „Die Presse ist, ohne dabei gewesen zu sein, außer Rand und Band. Vor dem Hotel türmen sich die Neugierigen. Der Liftboy ist um Jahre gealtert. Und der Portier hat den Kopf verloren und kann ihn nicht wiederfinden.“
    Mäxchen lachte, und der Jokus überflog die Zeitungen mit den ersten kurzen Nachrichten über seinen und Mäxchens Riesenerfolg. „Die Lawine rollt“, sagte er befriedigt.
    „Noch dazu aufwärts, Herr Professor“, meinte Brausewetter. „Schade, daß wir uns trennen müssen.“ Er blickte traurig zu Boden.
    „Waaas?“ fragte der Kleine Mann. „Das verstehe ich nicht.“
    Brausewetter fuhr mit dem Handschuh rund um den Zylinder. „Der Herr Professor dürfte mich schon verstehen.“
    „Jawohl“, brummte der Jokus und nickte.
    „Ich habe heute nacht kein Auge zugetan“, sagte Brausewetter und stellte den Zylinder unter den Stuhl. „Ich habe gerechnet und gerechnet. Es geht nicht. Der Zirkus Stilke ist wahrhaftig kein Flohzirkus, sondern genießt in Her Zunft und beim Publikum erfreuliches Ansehen. Aber Sie beide sind seit gestern abend eine Weltnummer, und das kann ich nicht bezahlen.“
    Der Jokus entgegnete: „Sie kennen unsren Preis ja noch gar nicht.“
    „Nein. Aber ich bin kein heuriger Hase. Ich weiß, welche Summen man Ihnen von andrer Seite bieten wird. Damit kann ich nicht konkurrieren. Denn ich bin ein solider Unternehmer. Ein anderer Direktor würde vielleicht denken: Mit dieser Weltnummer bin ich jeden Abend ausverkauft, auch wenn ich die Familie Bambus auf die Straße setze... “
    „Nein!“ rief Mäxchen.
    „Oder wenn ich die Elefanten an einen Zoo verkaufe...“
    „Nein!“ rief Mäxchen.
    „Oder wenn ich den Feuerschluckern und den drei Schwestern Marzipan kündige...“
    „Nein!“ schrie Mäxchen aufgebracht. „Das dürfen Sie nicht tun!“
    „Ich tu’s ja auch nicht“, erklärte Direktor Brausewetter würdig, „und deswegen müssen wir uns eben trennen.“ Der Jokus sagte: „Legen Sie die Karten auf den Tisch! Wieviel können Sie uns zahlen?“
    „Das Vierfache Ihrer jetzigen Gage. Doch die anderen werden Ihnen das Zehnfache bieten.“
    „Nein“, meinte der Jokus. „Das Zwanzigfache. Ich habe nämlich heute nacht auch ein

Weitere Kostenlose Bücher