Der kleine Vampir feiert Weihnachten
Vampir«leben» gefüllt. Er freute sich schon jetzt diebisch bei dem Gedanken, was seine Eltern wohl zu den Zeichnungen sagen würden: Im Januar sah man drei Vampire, die eine Schneeballschlacht machten. Im Februar feierten Vampire eine Faschingsparty. Am Märzbild arbeitete Anton noch. Es sollte etwas mit Vampiren und Frühling zu tun haben.
Während Anton seine Buntstifte spitzte, hörte er plötzlich ein Geräusch am Fenster. Es klang, als würden grässlich lange Fingernägel im Zeitlupentempo über die Scheibe fahren.
Anton sträubten sich die Haare. Hätte er doch bloß die Vorhänge zugezogen! Jetzt konnte ihn der Vampir da draußen – und mit Sicherheit war es weder Rüdiger noch Anna – beim Schein der Schreibtischlampe so deutlich wie auf einer beleuchteten Bühne sehen!
Und wenn es nun Tante Dorothee war …?
Anton starrte auf das schwarze Rechteck des Fensters, in der Hoffnung, doch noch zu erkennen, wer dort lauerte – als er eine erst hoch kieksende, dann tief grollende Stimme hörte: «He, hast du deine Ohren auf Durchzug gestellt? Oder bist du am Tisch festgewachsen?»
Es war Lumpi, der ältere Bruder des kleinen Vampirs!
Im ersten Moment verspürte Anton eine gewisse Erleichterung. Aber sehr schnell beschlich ihn ein unbehagliches Gefühl. Es konnte nichts Gutes sein, was Lumpi ausgerechnet zu ihm geführt hatte!
Mit weichen Knien ging Anton zum Fenster und öffnete es. «Du hast doch sturmfreie Bude, oder?», fragte Lumpi mit einem argwöhnischen Blick zur Tür.
Anton nickte und dachte: «Leider!»
«Na bitte!» Mit einem zufriedenen Grinsen sprang Lumpi ins Zimmer. Die «Duft»wolke, die ihn begleitete, ließ Anton den Atem stocken. Es war ein kräftiger Modergeruch, in den sich ein ätzend scharfer Geruch mischte, wie beim Arzt.
«Jaja», meinte Lumpi leutselig. «Diesmal hat es gewirkt.»
«Gewirkt?»
«Ja! Fällt dir nichts auf?»
«Nein –» Auf keinen Fall wollte Anton etwas Verkehrtes sagen, um Lumpi nicht zu verärgern.
«Dann streng deine Pupillen mal ein bisschen an», kicherte Lumpi und drehte Antons Schreibtischlampe so, dass ihr Licht auf sein Kinn fiel. «Und jetzt?»
«Deine Haut …»
«Gigantisch, was?» Lumpi grinste wie ein Honigkuchenpferd.
«Beziehungen, Anton Bohnsack, alles Beziehungen!»
«Beziehungen?»
«Jawohl! Wenn man die hegt und pflegt, kann man es weit bringen im Leben.»
Im «Leben»? Nun war die Reihe an Anton zu grinsen.
Sofort zischte Lumpi wütend: «Die paar restlichen Pickelchen verschwinden auch bald, sagt Schnuppermaul. Sein ‹Pustel-Ex› ist nämlich ein Wundermittel!»
«Schnuppermaul hat dir das Mittel gegeben?», staunte Anton. «Und was sagt Geiermeier dazu?» Dem Friedhofswärter konnte es bestimmt nicht recht sein, wenn Schnuppermaul einem Vampir dabei half, reinere Haut zu bekommen!
«Geiermeier? Der liegt doch ständig im Bett», erwiderte Lumpi.
«Er liegt ständig im Bett?», wiederholte Anton.
«Na ja, meistens», schränkte Lumpi ein. «Jedenfalls – seit Geiermeier den Herzanfall hatte, ist er nicht mehr der Alte, sagt Schnuppermaul. Er denkt schon daran, den Beruf zu wechseln.»
«Geiermeier will den Beruf wechseln?»
«Nein!» Lumpi tippte mit dem Zeigefinger gegen Antons Stirn.
«Du bist wirklich nicht der Hellste!
Schnuppermaul
will den Beruf wechseln. Er trägt sich mit dem Gedanken, umzuschulen auf Friseur. Wäre im Prinzip gar nicht schlecht für mich. Bloß Spiegel dürfte er nicht aufstellen in seinem Salon, hihi.»
Da bist du platt
Dann, wieder ernst geworden, fuhr Lumpi fort: «Wenn Schnuppermaul
mich
nicht hätte, wäre er längst weggezogen. Allein die Gespräche mit mir, nachts auf dem Friedhof – die halten ihn noch, sagt er.»
Vorsichtig bemerkte Anton: «Aber wäre es für eure Familie nicht besser, wenn Schnuppermaul wegziehen würde? Ich meine, dann hättet ihr einen Feind weniger.»
Lumpi lachte krächzend. «Bei dir im Kopf ist es nicht nur finster – da ist es zappenduster!»
«Findest du?», entgegnete Anton kühl.
«Allerdings! Geiermeier
mit
Schnuppermaul ist für uns doch viel ungefährlicher als
ohne!
»
«Hm, wenn du es so siehst –»
«Nicht nur ich! Der gesamte Familienrat sieht es so!», erklärte Lumpi prahlerisch.
«Der Familienrat?», sagte Anton überrascht.
Lumpi reckte sich. «Der Familienrat hat mich, Lumpi den Starken, beauftragt, meine Beziehungen zu Schnuppermaul zu hegen und zu pflegen – im Interesse unserer gesamten Familie!»
«Da bist du
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