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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Stadtbücherei. Dort gibt's Firmenverzeichnisse. Bis dahin sollen die Telefonistinnen das Branchenfernsprechbuch durchgehen.«
    Sellitto gab die Anordnung telefonisch durch.
    Rhyme warf einen Blick auf die Wanduhr. Es war halb zwei.
    »Und nun zum Asbest.«
    Das Wort löste einen Geistesblitz aus. Er spürte einen Stich - an Körperstellen, wo er nichts dergleichen spüren konnte. Woran erinnerte ihn das Stichwort Asbest? An etwas, was er gelesen oder gehört hatte - unlängst erst, so kam es ihm vor, doch Lincoln Rhyme traute seinem Zeitgefühl nicht mehr. Wenn man Monat für Monat reglos auf dem Rücken liegt, vergeht die Zeit immer langsamer, bis sie irgendwann nahezu stehenbleibt. Durchaus möglich, daß er an etwas dachte, was er vor zwei Jahren gelesen hatte.
    »Was wissen wir über Asbest?« fragte er versonnen. Niemand antwortete, doch das war egal; er beantwortete die Frage selbst. Das war ihm ohnehin am liebsten. Asbest ist ein komplexes Molekül, ein Silikat-Polymer. Unbrennbar, weil es, genau wie Glas, bereits oxidiert ist.
    Als Rhyme sich mit alten Mordfällen befaßt und - in Zusammenarbeit mit forensischen Anthropologen und Zahnspezialisten - die entsprechenden Tatorte untersucht hatte, war er häufig in Häuser geraten, die mit Asbest isoliert waren. Er erinnerte sich an den eigenartigen Geschmack der Atemschutzmasken, die sie bei ihren Ausgrabungen tragen mußten. Genaugenommen, so fiel ihm wieder ein, war es sogar im Zuge einer Asbestsanierung gewesen, daß Bauarbeiter in einem Generatorenraum des U-Bahnhofs City Hall den Leichnam eines von Dan Shepherd ermordeten Polizisten gefunden hatten. Als Rhyme sich gebückt hatte, um eine Faser vom hellblauen Hemd des Polizisten zu pflücken, hatte er das Ächzen und Knacken des Eichenbalkens gehört. Die Maske hatte ihn vermutlich vor dem Ersticken bewahrt, als er unter Staub und Erdreich begraben worden war.
    »Vielleicht hält er sie in einem Haus fest, das gerade asbestfrei gemacht wird«, sagte Sellitto.
    »Könnte sein«, pflichtete Rhyme bei.
    »Ruf das Bundesumweltamt und die städtische Umweltbehörde an«, befahl Sellitto seinem Assistenten. »Stell fest, ob und welche asbestverseuchten Gebäude derzeit saniert werden.«
    Der junge Kripomann klemmte sich ans Telefon.
    »Bo«, fragte Rhyme Haumann, »sind Ihre Leute einsatzbereit?«
    »Startklar«, bestätigte der Leiter des Spezialeinsatzkommandos. »Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß über die Hälfte unseres Personals wegen dieser UN-Sache eingespannt sind. Sie sind dem Secret Service und dem UN-Sicherheitsdienst zugeteilt.«
    »Ich kriege gerade ein paar Infos der Bundesumweltbehörde.« Banks winkte Haumann zu, worauf sich die beiden in eine Zimmerecke zurückzogen. Sie schoben etliche Bücherstapel beiseite. Als Haumann eine Generalstabskarte des Spezialeinsatzkommandos aufklappte, fiel etwas herunter und landete klappernd auf dem Boden.
    Banks zuckte zusammen. »Himmel.«
    Aus Rhymes Blickwinkel war nicht zu erkennen, was heruntergefallen war. Haumann zögerte, bückte sich dann, hob einen ausgebleichten Wirbelknochen auf und legte ihn wieder auf den Tisch.
    Rhyme spürte, daß mehrere Augenpaare auf ihn gerichtet waren, äußerte sich aber nicht zu dem Knochenstück. Haumann beugte sich über die Karte, während Banks am Telefon blieb und ihm die Standorte durchgab, an denen derzeit Asbestsanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Der Leiter des Einsatzkommandos markierte sie mit einem Fettstift. Offenbar waren es eine ganze Menge, verteilt auf alle fünf Bezirke der Stadt. Es war entmutigend.
    »Wir müssen es enger eingrenzen. Sehen wir uns mal den Sand an«, sagte Rhyme zu Cooper. »Leg ihn unters Mikroskop. Sag mir, was du davon hältst.«
    Sellitto reichte dem Kriminaltechniker das Kuvert mit dem Beweismittel, worauf dieser den Inhalt auf ein emailliertes Untersuchungsschälchen kippte. Eine kleine Staubwolke stieg von den feinen, glitzernden Körnern auf. Darunter war auch ein abgeschliffener Stein, der in der Mitte des Häufchens liegenblieb.
    Lincoln Rhyme brachte keinen Ton heraus. Nicht wegen des Anblicks - er wußte noch nicht, was er sah -, sondern weil sein Gehirn dem nutzlosen rechten Arm vergeblich den Befehl erteilen wollte, einen Stift zu nehmen und in der Probe herumzustochern Es war mindestens ein Jahr her, daß er diesen Drang zuletzt verspürt hatte. Fast wären ihm die Tränen gekommen, und nur der Gedanke an das Seconal-Fläschchen und die Plastiktüte in Dr.

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