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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Bergers Aktenkoffer konnte ihn trösten - eine Vorstellung, die wie ein rettender Engel im Raum hing.
    Er räusperte sich. »Untersuch ihn auf Abdrücke!«
    »Was denn?« fragte Cooper.
    »Den Stein.«
    Sellitto blickte ihn fragend an.
    »Der Stein gehört da nicht hin«, sagte Rhyme. Äpfel und Birnen. Ich möchte wissen, warum. Such Abdrücke.«
    Cooper nahm eine kleine Zange mit Porzellanspitzen, ergriff den Stein und untersuchte ihn. Er setzte eine Spezialbrille auf und strahlte den Stein mit einem Polilight an - ein elektronisches Gerät, etwa so groß wie eine Autobatterie, an das eine stabförmige Leuchte angeschlossen war.
    »Nichts«, sagte Cooper.
    »Metallbedampfung?«
    Die Metall- oder Vakuumbedampfung ist die zuverlässigste Methode, um latente Fingerabdrücke auf nichtporösen Oberflächen zu erkennen. Dabei wird der zu untersuchende Gegenstand in einer Hochvakuumkammer mit Gold oder Zink bedampft; das Metall lagert sich auf den latenten Abdrücken ab, so daß die Papillarleisten sichtbar werden.
    Aber Cooper hatte kein Metallbedampfungsgerät dabei.
    »Was hast du denn dabei?« fragte Rhyme, dem das gar nicht paßte.
    »Sudan Black, physikalischen Entwickler, Jod, Amidoschwarz, DFO und Gentianaviolett, Magna-Brush.«
    Außerdem hatte er Ninhydrin, ein Aminosäurereagenz zum Sichtbarmachen von Fingerabdrücken auf porösen Oberflächen, und eine Sekundenkleber-Ausrüstung zum Untersuchen glatter Spurenträger mitgebracht. Rhyme konnte sich noch genau an die phantastische Neuigkeit erinnern, die sich vor einigen Jahren unter Kriminalisten verbreitet hatte: Ein Techniker, der in einem forensischen Labor der US-Army in Japan arbeitete, hatte eine kaputte Kamera mit Sekundenkleber repariert und verwundert festgestellt, daß die Klebstoffdämpfe latente Fingerabdrücke besser sichtbar machten als die Mehrzahl der dafür bestimmten Chemikalien.
    Diese Methode wandte Cooper jetzt an. Mittels der Zange legte er den Stein in einen kleinen Glaskasten und gab einen Tupfer Klebstoff auf die erhitzbare Platte im Inneren. Nach wenigen Minuten nahm er den Stein wieder heraus.
    »Wir haben etwas«, sagte er. Er stäubte den Stein mit langwelligem UV-Pulver ein und richtete den Leuchtstab des Polilights darauf. Der Abdruck war deutlich zu sehen. Genau in der Mitte. Cooper fotografierte ihn mit der Polaroid CU-5, einer Sofortbildkamera für Aufnahmen im Maßstab eins zu eins. Er zeigte Rhyme das Bild.
    »Halt es näher.« Rhyme untersuchte es mit zusammengekniffenen Augen. »Ja! Er hat den Finger abgerollt.«
    Wenn man einen Finger auf einem Spurenträger abrollt, entsteht ein anderer Abdruck, als wenn man den Gegenstand in die Hand nimmt. Der Unterschied war geringfügig - er äußerte sich in der Breite der Papillarleisten an verschiedenen Stellen des Abdrucks -, aber Rhyme erkannte ihn klar und deutlich.
    »Schau an, was ist denn das?« sagte er nachdenklich. »Diese Linie.« Oberhalb des eigentlichen Abdrucks befand sich eine schwache, halbmondförmige Markierung.«
    »Sieht fast so aus wie -«
    »Jawohl«, sagte Rhyme. »Ihr Fingernagel. Normalerweise kommt das nicht vor. Ich wette, er hat den Stein präpariert, damit er garantiert auffällt Hat einen öligen Abdruck hinterlassen. Wie ein Papillarleistenmuster.«
    »Warum sollte er so was tun?« fragte Sachs.
    Genervt, weil keiner die Hinweise so schnell verstand wie er, erklärte Rhyme knapp: »Er will uns damit zweierlei sagen: einmal, daß das Opfer eine Frau ist. Falls wir nicht sofort auf die Verbindung zwischen ihr und dem Opfer von heute morgen kommen sollten.«
    »Und warum dieses?« wollte Banks wissen.
    »Um den Einsatz zu erhöhen«, sagte Rhyme. »Damit wir noch mehr ins Schwitzen geraten. Er teilt uns mit, daß eine Frau in Gefahr ist. Er bewertet die Opfer unterschiedlich - genau wie wir alle, auch wenn wir das Gegenteil behaupten.« Rhymes Blick fiel zufällig auf Sachs' Hände. Überrascht stellte er fest, daß ihre Finger grauenhaft aussahen - jedenfalls für eine ansonsten so schöne Frau. Vier waren an der Spitze mit fleischfarbenem Heftpflaster verklebt, und bei mehreren anderen waren die Nägel bis aufs Fleisch abgekaut. Ein Nagelbett war mit braunem Blut verkrustet. Er bemerkte auch die gerötete Haut unterhalb ihrer Augenbrauen - vom Auszupfen, vermutete er. Und einen Kratzer neben ihrem Ohr. Alles Anzeichen, die auf einen gewissen Selbstzerstörungstrieb hindeuteten. Es gab Millionen von Möglichkeiten, sich umzubringen, ohne daß man zu

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