Der König der Lügen
diese Veränderung, und er wusste, dass er sich für mich schämen musste, auch wenn er nie genau wusste, warum. Sie sagte, dass er danach keine Achtung mehr vor mir haben konnte. Er roch meine Schäbigkeit, wie man einen alten Kohlkopf riechen kann, und so wandte er sich von mir ab. Noch heute weiß ich, dass er mich bis zu seinem Tod verachtete.
Schließlich sah ich meine Schwester wieder an und erwartete einen Schatten der gleichen Verachtung in ihrem Blick.
»Du weißt es?«, fragte ich.
»Du hast diesen Tag als Junge begonnen, Work, als Ezras kleiner Junge — sein Spiegelbild vielleicht, aber nicht mehr als das. Etwas, worauf er mit leisem Stolz hinabschauen, auf das er deuten und dabei sagen konnte: Das ist mein Sohn, das ist mein Junge. Doch als du aus diesem Loch kamst, warst du ein Mann, ein Held, einer, zu dem alle aufschauten, und das konnte er nicht ertragen. Du standest im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, nicht er, und das war ihm verhasst, so sehr verhasst, dass er dich niederwalzen und am Boden halten musste, damit du ihn nie wieder so in den Schatten stellen konntest. Da hat es sich für dich geändert, und das war der Grund.«
»Ich weiß nicht, Jean.«
»Wie viele erwachsene Männer, glaubst du, wären ganz allein in diese Röhre gekrochen? Nicht viele, das kann ich dir sagen, und unser Vater ganz sicher nicht. Ich habe sein Gesicht gesehen, als sie dich aus dem Loch zogen und die Leute zu jubeln anfingen.«
»Sie haben gejubelt?«
»Natürlich.«
»Daran erinnere ich mich nicht«, sagte ich, und ich erinnerte mich wirklich nicht. Ich erinnerte mich an verächtliche Blicke, an Spott und ausgestreckte Zeigefinger. Ich erinnerte mich an Ezra, wie er betrunken zu meiner Mutter sagte, ich sei nur ein dämlicher Bengel. »Er ist kein Held, verdammt.« Das hatte er gesagt.
»Vanessa Stolen wäre an diesem Tag wahrscheinlich gestorben, vergewaltigt und ermordet mit fünfzehn. Wie viele zwölfjährige Jungen haben jemandem das Leben gerettet? Wie viele erwachsene Männer? Es kommt selten vor, und es erfordert Mut. Nur unser Vater konnte dich dafür blind machen, aber er hat es getan, und er hat es absichtlich getan.«
Ihre Worte waren unerträglich. Ich war kein Held. Er hatte recht gehabt. Doch was sie als Nächstes sagte, durchdrang den Nebel in meinem Kopf ein wenig.
»Ezra hat dich in seine Kanzlei geholt, um dich unten zu halten.«
»Was?«
»Du bist nicht dazu geschaffen, Anwalt zu sein, Work. Du bist verflucht gescheit, keine Frage, aber du bist ein Träumer. Du hast ein großes Herz. Niemand wusste das besser als Ezra. Er wusste, dass du niemals jemandem an die Gurgel gehen könntest, wie er es konnte, und niemals würde Geld dir so viel bedeuten wie ihm. Das hieß, du würdest niemals so erfolgreich sein wie er. Solange du Anwalt warst, war Ezra in Sicherheit. Solange du da warst, würdest du niemals der Mann sein, der er war. Niemals so stark, niemals so selbstbewusst.« Sie schwieg und beugte sich über mich. »Niemals eine Bedrohung für ihn.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte ich.
»Vertrau mir.«
»Aber nichts davon entlässt mich aus meiner Pflicht. Ich stehe immer noch in deiner Schuld.«
»Du kapierst es einfach nicht, was? Er hat dich schlimmer behandelt als jemals mich. Für mich war es schlichte Frauenfeindlichkeit. Ich war ein Mädchen und deshalb von geringem Wert. Doch bei dir war es etwas Persönliches. Er hat gegen dich gekämpft, Work. Er hat einen Krieg gegen dich geführt, und das konnte niemand so wie unser Vater. Ob gut oder schlecht, er war eine Macht.« Sie lachte wieder, und es klang bitter und betrübt. »Du sagst, du hättest mich vor ihm beschützen müssen. Mein Gott, Work. Du hattest nie eine Chance.«
»Kann sein«, sagte ich. »Ich muss darüber nachdenken.«
»Tu das«, sagte sie. »Er ist tot. Lass dich von ihm nicht noch weiter hinunterziehen.«
Plötzlich war ich zu müde, um noch weiter über Ezra zu reden. Wahrscheinlich würde es Jahre dauern, das Durcheinander zu ordnen, das er in meinem Kopf angerichtet hatte, aber die Verwüstungen erschienen jetzt weniger absolut. Und vielleicht hatte Jean recht. Vielleicht musste ich mir selbst eine Chance geben. Ich war erst zwölf, als es passiert war, und jetzt kam mir das schrecklich jung vor.
»Du wirst mir fehlen, Jean.«
Sie stand auf und legte mir die Hand auf die Schulter. »Du wolltest für mich ins Gefängnis gehen, Work. Du bist ein sehr guter Mensch. Ich habe nie einen besseren
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