Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Ihr die Sünde, deren man Euch verklagt, gar nicht begangen habt.«
»Liebe Freundin, Ihr seid ein Genie, dies so klar zu erkennen.«
»Ein Genie bin ich nicht. Eine Frau zu sein genügt mir.«
»Die liebenswürdigste Frau.«
»Herzog, vergeßt unsere Vereinbarung nicht, bei unseren Plaudereien niemals ›die leuchtende Schwelle der Freundschaft‹ 1 zu überschreiten.«
»Madame, ich gehorche, so ungern ich charmanteren Perspektiven auch entsage.«
Hierauf trat Graf von Sault herein, und nachdem er Madame de Guéméné kniefällig die Hand geküßt hatte, umarmte er mich lachend und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Ich hoffe, meine schöne Leserin entsinnt sich aus dem vorhergehenden Band dieser Memoiren bebenden Herzens des Grafen von Sault und der Beschreibung, die ich von ihm gab. Um mich nicht zu wiederholen, will ich hier nur sagen, daß der Graf am Hof als ein Musterbild männlicher Schönheit galt. Und in welchem Maße er von der Weiblichkeit belagert wurde, das hätte ihm wahrlich zu Kopfe steigen können. Doch dem war nicht so. In seinem Benehmen gab es keine Spur von Aufgeblasenheit und Dünkel. Und da ich mit ihm in Schnee und Kälte durch das Gravere zog, kann ich außerdem bezeugen, daß er zu seinen Soldaten zwar streng war, sie aber nie beschimpfte oder schikanierte, vielmehr sehr fürsorglich auf sie und ihre Ernährung acht hatte.
Madame de Guéméné hieß ihn auf einem Lehnstuhl Platz nehmen, was er mit so finsterer Miene tat, daß sie ihn daraufhin ansprach.
»Lieber Graf«, sagte sie, »was zieht Ihr für ein trübsinniges Gesicht! Was gibt es denn? Ihr seht aus, als wäret Ihr in die trübsten und verdrießlichsten Gedanken versunken. Geht es Euch nicht gut?«
»Madame, nicht mir geht es nicht gut, sondern dem Reich.«
»Dann erzählt uns das Unglück, wenn es kein Staatsgeheimnis ist.«
»Heute ist es das noch. Morgen nicht mehr. Hört denn die traurige Geschichte, Madame. Wir haben Spanien den Krieg erklärt, haben, wie Ihr wißt, die niederländische Grenze überschritten und die spanische Armee bei Avins besiegt, aber der Sieg nützte uns nichts, denn bei Louvain wurden wir geschlagen, und dann geschah etwas Furchtbares. Das Gift der Desertion griff um sich. Unsere Armee schmolz von zwanzigtausend Mann auf sechstausend zusammen. Und als ob dieser Krieg mit Spanien noch nicht reichte, griff Condé die Stadt Dole im Jura an, und schon erklärte der Kaiser uns den Krieg. Sicherlich wißt Ihr, daß wir uns durch Lothringen und das Elsaß verstärkt haben, um einer Invasion der Kaiserlichen zuvorzukommen, nursie haben uns gar nicht von Osten angegriffen. Sie marschierten nach Norden, über Aachen nach Brüssel und vereinigten sich mit den spanischen Kräften. Sie bilden eine siebenundzwanzigtausend Mann starke Armee mit vierzig Kanonen. Einer solchen Heeresmacht haben wir nichts entgegenzusetzen. Der Ruf zu den Waffen hat kläglichste Ergebnisse erbracht. Ihr wißt es, Monseigneur«, fuhr er, an mich gewandt, fort, »da Ihr neben anderen ausziehen sollt, dem Übelstand abzuhelfen. Aber das Schlimmste ist, daß der König kein Geld hat. Kurzum, wenn es dem König und Richelieu nicht gelingt, unsere finanzielle Situation zu bessern und die Franzosen ihrer feigen Tatenlosigkeit zu entreißen, fürchte ich, daß ›unsere italienischen Lorbeeren sich bald in Zypressen verwandeln werden‹.« (Letzteres war ein Ausspruch von Richelieu, wie ich später erfuhr.)
»Gott im Himmel!« sagte Madame de Guéméné, »ist Paris etwa schon bedroht? Sollte ich nicht schleunigst in meine Bretagne aufbrechen?«
»Nein, nein, Madame! Hütet Euch vor einer verfrühten Entscheidung. Bedenkt, daß ein Adelshaus, das in Paris leer und verschlossen steht, leicht von der Kanaille geplündert werden kann. Vor allem bitte ich Euch, gebt es niemandem weiter, was ich Euch hier sagte. Zeigt Euch unbesorgt, aber legt Vorräte an Mehl und anderen Lebensmitteln an, und laßt Euren Majordomus Hühner kaufen, die Ihr in Eurem Garten halten könnt, auch eine Milchziege. In Kriegszeiten wird bekanntlich alles knapp, und wer weiß, ob Paris nicht bald belagert wird.«
Wie vorgesehen, begab ich mich am folgenden Tag, nur von Nicolas begleitet, erstmals zum Gerichtshof, wo ich mit kühler Höflichkeit von den Herren der Robe empfangen wurde, die in mir zweifelsohne einen Spion des Königs erblickten. Sie gaben mir einen ziemlich guten Platz, und als ich freundlich fragte, welches meine Rolle in ihrer
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