Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
unseren Besuch ihren Elan.
»Mein teurer Herzog«, sagte Fogacer, »Ihr wißt ja, daß ich Augen und Ohren des Apostolischen Nuntius in diesem Reich bin, und ich darf in aller Bescheidenheit sagen, daß er dank meiner besser unterrichtet ist als die anderen Gesandten, diebei Seiner Majestät akkreditiert sind. Da Ihr es aber müde werden könntet, mich an Euren Quellen trinken zu lassen, ohne jemals an den meinen zu trinken, möchte ich Euch einen Tausch anbieten.«
»Einen Tausch?«
»Nun ja. Ihr erzählt mir im Detail, was auf dieser Sitzung der Gerichtsherren gesprochen wurde, an der Ihr teilnahmt, und ich erzähle Euch in allen Einzelheiten, mit welchen – mitunter wenig katholischen – Mitteln Ludwig sich die notwendigen Gelder für die Fortführung des Krieges beschafft.«
Lächelnd begrüßte ich diesen Handel und berichtete, wie ich auf besagter Sitzung Franzosen sah, die der nahen Niederlage ihres Vaterlandes mit Schadenfreude entgegensahen.
»Gütiger Gott!« sagte Fogacer, »zu welchen Exzessen der Parteigeist führen kann! Aus Haß auf die Hugenotten sind unsere Robenträger spanisch geworden. Sie haben nicht einmal soviel klares Urteil, um zu begreifen, wie hart unser liebes Frankreich die Besetzung der Spanier ankommen wird.«
»Teurer Domherr...«
»Nennt mich nicht ›teurer‹ Domherr, denn gerade als Domherr bin ich wenig wert.«
»Heißt das, Ihr seid zu den Sünden Eurer Jugend zurückgekehrt?«
»Schlimmer. Ich bin, wenn auch nicht zum Ketzer, so doch zum Heterodoxen geworden.«
»Zum Beispiel?«
»Ich denke, daß die Moral des Alten Testaments – ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ – unmoralisch ist.«
»Was Ihr von der Lehre Christi aber nicht sagen könnt. Christus verbietet, die Ehebrecherin zu steinigen.«
»Und darin liegt die wahre Moral. Verwirrend ist eben, daß die Moral des Sohnes der des Vaters widerspricht.«
»So mag denn jeder«, sagte ich, »wählen, welche ihm die genehmste ist.«
»Mein teurer Herzog, erlaubt mir zu sagen, daß Ihr Eure Religion ein wenig auf die leichte Schulter nehmt.«
»Und daran tue ich gut, denn sonst würde sie mich erdrücken. Wie wäre es, mein Freund, wenn wir zu unseren Hammeln zurückkehrten, zu den notwendigen Geldern für die Kriegführung, meine ich?«
»Nun, zuerst griff Ludwig zu den klassischen Mitteln. Er schuf neue Ämter und verkaufte sie an ehrbegierige Bürger, was für den Augenblick ein gutes Rezept sein mag, aber es belastet die Zukunft, denn diese Leute müssen ja weiterhin bezahlt werden. Sein anderes Rezept ist nicht minder klassisch: Er ließ Bischöfe und Mönche durch äußerste Sparmaßnahmen zur Ader. Doch zu unserem großen Leidwesen hat Ludwig eine Neuerung eingeführt: Er erhob auf jeden Livre für sämtliche gekauften Waren eine unbillige Steuer von einem Sou. 1 Und heute plant Ludwig etwas noch viel Abscheulicheres, ein Verbrechen, das seine Untertanen einst mit ihrem Kopf büßen mußten: Er will das Geld in seinem Wert verringern.«
»Heißt das«, fragte ich bestürzt, »Ludwig will sein eigenes Geld beschneiden?«
»So ist es! Es ist ungeheuerlich!«
»Aber«, sagte Catherine errötend, weil sie das Wort zu ergreifen wagte, »wie beschneidet man denn Goldmünzen?«
»Ganz einfach«, sagte ich: »durch Königswasser!«
»Königswasser!« sagte Catherine und lachte hellauf. »Und was ist das für ein Wasser, das Gold schmelzen kann?«
»Ein Gemisch aus Salpetersäure und Salzsäure, meine Liebe.«
»Das Abschmelzen«, sagte Fogacer, »ist übrigens eine äußerst heikle Operation, denn dabei darf das auf der Münze abgebildete Bildnis des Königs nicht verletzt werden.«
»Wenn man Gold abschmilzt«, sagte Catherine, »gibt es Schmelzreste, und was macht man damit?«
»Was wohl, meine Schöne«, sagte ich, »wenn nicht neue Münzen?«
DRITTES KAPITEL
Auf Befehl des Königs nahm ich also weiterhin an den Sitzungen des Gerichtsrates teil. Die Herren der Robe grüßten mich, richteten aber selten das Wort an mich. Richelieu ließ mich wissen, daß einige dieser Scheinheiligen erwögen, mich durch einen gedingten Verbrecher ermorden zu lassen, doch gebe er nicht viel auf solches Gerede, sagte er. Dennoch riet er mir zur Vorsicht, und wenn ich nun ins Gericht ging, zog ich ein dünnes Kettenhemd unter mein Wams. Aber es war zu steif, zu heiß, zu unbequem, und ich überlegte mir, daß es eigentlich unnötig war. Denn wollte man mich beseitigen, geschähe es sicherlich nicht innerhalb des
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