Der König muß sterben
Fußschlingen aus Pferdehaaren mit sich. Sie lenkten gleichzeitig die Nachhut von zusammengekoppelten Hunden, schwere und geifernde Saupacker, die wie Ritter gepanzert waren. Jemand schrie: »Volez! Volez! Mes chiens! Après! Bon chasse!« Im nächsten Moment, das endgültige Jagdrevier war erreicht, löste man die Jagdhunde, und die Rotte stob davon. Die Jäger ermunterten ihre Sauhunde durch das Blasen ihrer Rufhörner.
Auf einer Bergkuppe, dort, wo ein schwacher Sattel entlang des Höhenkamms verlief, zeigte sich plötzlich ein Rudel Damwild. Es war ein Tageseinstand, wie es Wild liebte, mit einem windgeschützten Dickicht aus Adlerfarn und gutem Schutz gegen die Nässe. Die Meute hetzte los. Mutig versuchten sich Hirsche der Übermacht zu erwehren, und einige Hunde wirbelten, von den Geweihen getroffen, durch die Luft. Aber als die Jäger den Kampfplatz erreichten, wurde der Kampf schnell entschieden, sie durchbohrten mit Lanzen die Tiere, zuckend verendeten auch die stattlichsten.
Henri sah dem Geschehen unwillig zu. Er überlegte, wie lange die Jagd währen würde. Immerhin wusste er inzwischen so viel, dass die Jagd nach den Wildschweinen in aller Herrgottsfrühe stattfinden musste. Jetzt war es jedoch schon Nachmittag. Man würde also die Jagd bald abbrechen, im königlichen Zeltlager übernachten und einen weiteren Tag jagen.
König Philipp verließ sein Schloss, in dem er geboren worden war, nur noch zur Jagd. Henri hatte überlegt, ob er ihn in seiner glänzenden Residenz erledigen sollte. Aber die Jagd und das unwegsame Gelände im Forst boten ihm mehr Möglichkeiten. Er musste einfach abwarten und im entscheidenden Moment zur Stelle sein.
Der König gab bald ein Zeichen, und die Bläser ließen die Halali-Fanfare, das do mort ertönen, die Jagd war für heute beendet.
Die Jagdgesellschaft wandte sich jetzt in Richtung einer schon vorbereiteten Feuerstelle, um das Jagdmahl zu halten. Hier waren schon reichlich geschmückte Zelte aufgeschlagen. Die beste Trophäe, der rechte Lauf des kapitalsten Hirsches, wurde dem König als Ehrengabe von seinem Oberpiquer überreicht. Die Jagdgehilfen legten die bisherige Beute in zwei lange Reihen und verteilten sie. Jeder bekam seinen Anteil aus der üppigen Strecke. Einige begannen sofort, die Tiere mit einfachem Weidbesteck zu zerlegen, doch die Aufseher scheuchten sie fort.
Der König kam herangeritten. Er hielt seinen Falken, an seiner Seite baumelte das edelsteingeschmückte Jagdhorn aus Elfenbein. Er sagte zu Henri: »Nun, Jude, wie gefällt dir unser Vergnügen?«
»Ich könnte es sicher mehr würdigen, Herr, wenn meine Religion mir die Beteiligung erlaubte. So ist es aber ein spannendes Theaterstück.«
»So, ein Theaterstück! Dann pass er auf, ob dabei nicht echtes Blut fließt!«
»Das wird nicht ausbleiben, Majestät.«
»Ihr seid scheu wie der Heilige Hubertus, der Schutzpatron der Jäger, nach seiner Begegnung mit dem Hirsch, der in seinem Geweih ein leuchtendes Kruzifix trug und ihn aufforderte, sich zum Christentum zu bekehren! Wild muss gejagt werden! Es ist nicht nur ein Vergnügen, es ist eine edle Pflicht!«
»Ihr habt Recht, Majestät.«
»Man soll übrigens das Wild mit Edelsinn und Vornehmheit erlegen, nicht wahr, damit man gute Unterhaltung hat und mehr Tiere übrig bleiben. Meint Ihr nicht?«
»Das denke ich auch, Majestät. Oder man jagt überhaupt nicht.«
Der König sah ihn nachdenklich an. »Morgen in aller Frühe jagen wir das Schwarzwild. Wir brechen noch vor Sonnenaufgang auf. Und Ihr werdet in meiner Nähe reiten. Ich will, dass Ihr alles seht!«
»Ja, Majestät.«
»Und dabei erzählt Ihr mir von Eurem Schatz, verstanden?! Wenn die Jagd zu Ende ist, will ich alles wissen!«
Henri hatte verstanden. Die Worte des Königs klangen nicht nur wie eine Drohung, sie waren eine.
Gebratenes Flugwild und Wein stärkten die Jäger. Die Feuer flackerten noch eine Weile. Jeder prahlte mit seiner Beute. Bald kam das geblasene Signal zur Jagdruhe. Die einfachen Treiber schliefen auf dem Erdboden rund um die Feuer, die höher gestellten Teilnehmer verschwanden in ihren Zelten.
Henri schlief in dieser Nacht nicht. Im Zelt war es kalt. Von draußen kam das Schnauben der angepflockten Pferde, die das Blut des schon erlegten Wildes rochen. Hin und wieder ging er hinaus und wärmte sich am Feuer. Während er das Lager beobachtete, versäumte er nicht, den Eindruck eines gedankenverlorenen, stumm vor sich hin betenden Juden zu verbreiten.
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