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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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jeder irgendetwas.«
    »Es wird nicht so weit kommen, Henri. Wirf ihnen ein paar Goldstücke hin, dann werden sie anbeißen. Entlocke ihnen ein paar Zugeständnisse in Sachen Judenansiedlung, und das mit Eifer. Das wird sie überzeugen, dass du ihr Mann bist.«
    Henri wandte sich an Jacques. »Sie jagen im Wald von Bière und Saint Maxence?«
    »Ja.«
    »Dort werde ich mein Glück versuchen. Welche Sau dann stirbt, werden wir noch sehen. Gott stehe mir bei!«

8
     
     
     
    28. November 1314, Tag des Andreas
     
    »Was ist, Jude?! Nimm die Saufeder auf!«
    Ein berittener Jagdjunker im roten Mantel deutete auf eine lange Waffe, die mit ihrer messerscharfen, gewundenen Dreifachspitze im Boden steckte. Sein Schimmel tänzelte nervös vor dem Falben Henris. Dieser hatte Mühe, sein eigenes Reittier im Zaum zu halten, denn im Wald und Unterholz des Forstes von Saint-Maxence lag das Fieber der Jagd.
    »Wir Juden jagen nicht!«
    »Dann gebt Acht, was jetzt geschieht!«
    Henri de Roslin war mitten im Getümmel der Hetzjagd. Weit voran ritt nur der König auf einem mit Gold geschmückten Pferd, daneben acht Falkner. Nur Philipp als Jagdherr und Dirigeant und seine im Abstand reitenden vornehmen Chevaliers und Grafen mit Halskrause, Pluderhosen und Stulpenstiefeln durften Greifvögel auf ihren gepolsterten Armen tragen. Erst dahinter ritt das Gefolge, der Oberhofjägermeister mit dem Jagdfourier, dann Commandanten, Jagdjunker, Pagen und Piqueure.
    Noch weiter dahinter bändigten die Treibjäger des Bodenwildes in ihren grünen und braunen Umhängen ihre Pferde; Pirscher und Treiber zu Fuß, mit Pfeifen und Trommeln, marschierten zu allen Seiten, an langer Leine die feinnasigen Fährtenhunde. Die Jagdknechte hatten bereits Fallen gebaut, trugen Wurfnetze und schlugen sich durch das Unterholz. Fronpflichtige Bauern hatten tagelang zu beiden Seiten des Waldes weiße Rolltücher aufgespannt, damit das Wild nur vorwärts preschen konnte.
    Jetzt erklangen die Jagdhörner aus Messing und Leder, die den weißen Leithunden das Zeichen gaben, die Hornstöße waren so durchdringend, dass sie das Jagdfieber der Männer und die Angst der gejagten Tiere gleichermaßen erhitzten.
    Henri rümpfte die Nase. Schon roch es seiner Umgebung nach dem Kot der erregten Reittiere und nach dem Blut des bereits erlegten Rotwildes, das den hinter ihnen liegenden Pfad säumte. Panische Kleintiere wie Wiesel, Hasen, Iltisse und Dachse rannten durch das Unterholz, aber die Jäger achteten nicht darauf, sie warteten mit ihren Piken, Schleudern und Netzen auf Wildschweine, Tannhirsche, Trappen und Rehe.
    Der König begnügte sich mit der Beizjagd mit seinen Falken, dies war die edelste Jagd, einem Herrscher als Privileg angemessen. Philipp hatte seinem Gast am Vorabend begeistert von dieser edelsten aller Jagden, die aus Byzanz eingeführt worden war, berichtet. Später war die persische Falknerei zum Vorbild der abendländischen Beizjagden geworden. Als Beute würden Stare, Wachtelkönige, Möwen und Milane auf den Silbertabletts landen. Aber auch größere Vögel, Reiher, Störche, Auerwild und Geier, schlugen die Falken.
    Der König selbst stand der bedeutendsten Falknerschule vor, und während er zu ihm gesprochen hatte, spürte Henri gegen ihn keinen Hass. Er schien seine Profession wirklich zu lieben. »Wenn der Jagdfalke untätig ist, so darf ich nicht zornig werden und ihn darob übel schelten, sondern ich muss fein sanftmütig und geduldig sein. Ich muss den Fehler des Falken mit sittsamer und bescheidener Behandlung wieder gutmachen und ihn fein ordentlich und meisterlich abrichten…«
    Henri hatte sich allen Ernstes gefragt, ob dieser Mann an seiner Seite, der so zierlich und ehrlich sprach, wirklich der Mörder seiner Tempelbrüder war.
    Die gewöhnliche Treibjagd am Boden fand jetzt in der Nachhut statt. In der Nähe bewegte sich auch Henri, er hielt jedoch immer Blickkontakt zum König.
    Henri hatte seine jüdische Rolle des Jagdgegners gespielt, und der König hatte ihn, wie er es gehofft hatte, doppelt entschieden aufgefordert, die Hatz mitzumachen. »Es ist das grande plaisir des Jahres«, hatte er gesagt. »Dabei wird alles erlegt, was es wert ist, erlegt zu werden. Ihr müsst es einmal erlebt haben, Jude.«
    Henri hatte es vorgezogen zu schweigen.
    Beim vorabendlichen Festmahl zu Ehren des Jagdheiligen Hubertus im riesigen Bankettsaal mit den hohen tonnenförmigen Holzdecken im Schloss von Fontainebleau – das Philipp beim Auftauchen aus

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