Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Gegend herum, die Hände in den Hosentaschen vergraben und den
Hut tief im Gesicht, denn nun war Dezember und der Wind schneidend kalt.
»Keine Ahnung, wie das
Ding verschwinden konnte«, sagte er den Reportern und machte ein dummes
Gesicht. »Vielleicht ist es ja wieder in den Weltraum aufgefahren, auf
irgendeine übernatürliche Art. Oder es ist ganz einfach zu Staub zerbröselt,
weil ihm die Luft hier nicht bekommen ist. Wer kennt sich schon mit einem
Kometen aus und weiß, wie er reagiert?«
Die Folgen für Birnbaum
waren angenehm, denn sobald der Verlust des Meteoriten offiziell bestätigt war,
wurde das ganze Getrampel rund um den Acker weniger und verebbte bald völlig.
Monika Schwalbe kam noch
einmal zum Hof gefahren, um Lebewohl zu sagen. Sie zog mit ihren Studenten
weiter nach Truchtlaching, wo nun ebenfalls ein Landwirt behauptete, einen
Meteoriten gefunden zu haben. Plötzlich schienen die Dinger im ganzen Chiemgau
aufzutauchen. Es war wie ein Fieber, das sich verbreitete.
»Und Sie haben wirklich
keine Ahnung, wo er geblieben sein könnte?«, fragte die Schwalbe mit leisem
Argwohn, als sie sich zum Abschied die Hände reichten.
»Aber nein, wo denken
Sie hin«, sagte Birnbaum so leutselig, dass er sich einen Oscar verdient hätte.
Monika Schwalbe winkte
zum Fenster hinauf, wo Maria stand, und warf ihr einen Luftkuss zu. Maria, die
wegen einer Erkältung und weil sie sich ohnehin kaum noch bewegen konnte lieber
drinnen geblieben war, winkte zurück. Dann flatterte die künftige Doktorin
davon, mit ihrem bunten Winterkleid und den gestrickten Stulpen, und nun kehrte
endlich Ruhe ein.
Es war in aller Frühe am
Heiligabend, als Xaver Birnbaum seine Frau in die Kreisklinik nach Trostberg
fuhr, mit dem alten Passat, dessen Motor wegen der Kälte noch ärger stotterte
als sonst, aber den Weg durch den frischen Pulverschnee sicher und treulich
zurücklegte.
Um zehn nach zwölf war
sie dann endlich da, die kleine Linda, schwarzhaarig wie ihre Mutter und mit
dem kleinen Leberfleck ihres Vaters auf der linken Schulter. Sie war das
hübscheste Kind der Welt, und Xaver Birnbaum wurde nicht müde, allen Leuten zu
erzählen, dass nun alles gut werden würde und dass es von diesem Tag an wieder
aufwärtsgehen würde mit dem Mooshamer-Hof.
Nicola Förg
MARKTTREIBEN
Oberbayern Krimi
ISBN 978-3-86358-026-1
»Nicola Förg prangert in ihrem Krimi die fehlende Zivilcourage an.«
Garmisch-Partenkirchener Tagblatt
»Nicola Förg hat die Befindlichkeiten der Menschen im Oberland und ihrer Romanfiguren einmal mehr geschickt mit der Handlung in ›Markttreiben‹ verwoben.«
Kreisbote
Leseprobe zu Nicola Förg,
MARKTTREIBEN
:
Prolog
Die Atemlosigkeit des Denkens,
auch auf den Gletscherwiesen,
ohne Beweis.
Langsam stieg er in diesem steilen Hang. Er hatte seinen Rhythmus
gefunden, und seine Atmung ging regelmäßig. Er liebte die Passagen, in denen er
einer Flanke seine Spur einbrannte, seine Zickzackspur, die bleiben würde, bis
die gleißende Sonne sie verwischt oder Neuschnee sie zugedeckt hätte. Spuren
auf Zeit. Lebenslinien auf Zeit. So vergänglich. Er war fast traurig, als er an
die Kante kam, wo es flacher wurde. Er musste die Bindung umstellen, er hatte
seinen Rhythmus verloren. Er mochte diese flachen Passagen nicht, die doch nur
einen langen Hatsch bedeuteten. Auch mochte er solche Stufen nicht. Er wäre
lieber weiter steil bergan gestiegen, auf der Direttissima. So lebte er auch.
Aber um den Gipfel zu erreichen, blieb ihm nur diese Route über lange Flachstücke,
über nervige Verzögerungen auf dem Weg zum Allerhöchsten. Der Schatten zog
herein, noch stand die Sonne zu tief; es war zu früh, um den ganzen Berg zu
erhellen. Endlich, das letzte Steilstück, er legte den Kopf in den Nacken. Er
lächelte. Zum ersten Mal seit Tagen lächelte er wieder. Zum ersten Mal, seit er
das Unglaubliche erfahren hatte. Er zog Harscheisen auf und trat an. Diese
letzte Passage war eigentlich viel anstrengender als alle vorhergegangenen
Teilstücke. Aber nun pendelte sich seine Atmung wieder ein, er ging fast
schwerelos und erreichte den Grat. Zog die Ski ab und stapfte in seinen
Tourenstiefeln zum Gipfel. Er war allein, die Gunst der frühen Stunde.
Weiße Eisberge staken heraus aus einem Meer in Gebirgsblau. Es war
wirklich sehr früh, noch im Dunkeln war er losgegangen. Ein leiser Wind war
aufgekommen, er runzelte die Stirn. Es hatte viel geschneit in den letzten
Tagen, heute war der erste Tag, der in
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