Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Bichler, dem es grauste. »Haben Sie
ihr Gesicht gesehen, Chefin? Sie hat gelacht!«
»Das bilden Sie sich
ein«, murmelte die Kommissarin, die das Lachen auch gesehen hatte.
Nachspiel
1
Es war November geworden.
Ein Samstag, halb drei Uhr in der Früh. Xaver Birnbaum schlug seine Decke
zurück und schlüpfte ganz leise aus dem Bett. Er hatte alles gut bedacht. Maria
drehte sich mit leisem Stöhnen auf die andere Seite. Er strich ihr vorsichtig
übers Haar, dann suchte er Hemd und Hose, Schuhe und Strümpfe zusammen und
verließ auf Zehenspitzen das Schlafzimmer.
»Mach jetzt bloß nicht
so einen Lärm«, betete er, als er den Schlüssel des Passats drehte.
Er hatte Glück. Der
Wagen sprang an, ohne zu stottern, was nur selten geschah. Nur mit dem
Standlicht verließ Birnbaum seinen Hof.
Auf dem Acker wehte ein
lausiger Wind. Zum Glück fror es noch nicht. In den Tannen krächzte ein
träumender Rabe. Birnbaum schlug den Kragen hoch und spuckte in die Hände. Die
rechtlichen Querelen hielten an, und er war es gründlich leid. Die verdammte
Geschichte würde nie ein Ende nehmen. Dann begann er zu graben, direkt neben
dem Gitter, an dem das schwere Vorhängeschloss, dessen Schlüssel sich nun im
Geologischen Institut befand, leise klirrte. Man hatte ihn Birnbaum
weggenommen, aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Die Zementverankerung saß zum
Glück nicht allzu tief, und so konnte er nach einem guten halben Meter bereits
mit den Händen unter den Zementring fahren. Kopfüber hing er in dem Loch,
verbog seine Arme, bis er vor Schmerzen hätte schreien können, aber dann
berührte er tatsächlich den glatten schwarzen Stein, wegen dem er so viel Ärger
hatte und an dem das Blut mehrerer Menschen klebte.
Birnbaum verrenkte sich
noch ein Stück mehr, dann konnte er den Meteoriten mit beiden Händen unter dem
Fundament durchziehen. Schwer wie ein Klumpen Eisen war er, und die metallenen
Partikel glitzerten im Mondlicht. Xaver wickelte ihn in eine alte Decke und
schleppte ihn zum Wagen, den er am Feldrain abgestellt hatte. Er verstaute den
Stein im Kofferraum, danach lief er zurück und begann in aller Eile, das
aufgewühlte Loch wieder gründlich zuzuschaufeln und den Boden festzutreten.
Er fuhr nach Seebruck,
wo an einem kleinen Anleger noch ein paar Boote lagen. Den Wagen ließ er in
einer Seitenstraße stehen, nahm die Decke mit dem Meteoriten auf den Arm und
strebte dem Wasser zu. Vorsichtig platzierte er den Stein in einem der Boote.
Dann lief er abermals zum Wagen, holte zwei Ruder aus dem Kofferraum und machte
das Boot los. Er orientierte sich an den Lichtern, die hier und da vom Ufer her
zu sehen waren. Eine gute halbe Stunde ruderte er, immer weiter, bis sein
Gefühl ihm sagte, dass dies eine tiefe Stelle sein musste. Er atmete durch. Das
war das Ende eines Traums. Keine Touristenschlangen auf seinem Acker, keine Museen,
die sich mit horrenden Summen gegenseitig überboten, um den Meteoriten vom
Mooshamer-Hof zu erstehen. Aber es war ohnehin eine Schwachsinnsidee gewesen.
»Weg mit dir,
verfluchtes Ding«, murmelte er. »Ich will einfach nur in Ruhe meinen Weizen
pflanzen. Und Maria soll ihr Kind bekommen und nicht mehr bei jedem
Telefonklingeln zusammenfahren, weil sie Angst hat, es wäre ein neues Unglück
geschehen.«
Er hievte den Meteoriten
über die Kante. Es gab einen großen Platsch. Das kalte Wasser öffnete sich wie
ein dunkles Maul. Dann war alles wieder still. Birnbaum fühlte, wie sich ein
Zentnergewicht von seinen Schultern hob. Sollten sich doch in fünfzig oder
hundert Jahren, wenn irgendein bedauernswerter Fischer das Ding vielleicht mit
seinem Netz wieder heraufzog, die Wissenschaftler den Kopf darüber zerbrechen,
wie er dort hingelangt war. Und vielleicht würde es ja nicht mal einen
bedeutenden Unterschied machen, ob der Meteorit nun im Chiemsee oder auf einem
Acker bei Palling auftauchte, denn was waren die paar Kilometer, verglichen mit
der Weite des Weltalls?
2
Erst zweieinhalb Wochen
später entdeckte einer der Mitarbeiter des Geologischen Instituts, die dort
oben nur noch sporadisch ihre Runden drehten, dass der Meteorit aus der
vergitterten Grube verschwunden war. In letzter Zeit waren nicht einmal die
Geräte in der Hütte noch regelmäßig abgelesen worden. Ein letztes Mal gab es
einen Auflauf von Reportern, von der Polizei, die wieder den Acker abriegelte,
und von Wissenschaftlern, die sich gegenseitig üble Dinge an die Köpfe warfen.
Birnbaum stand
nachlässig in der
Weitere Kostenlose Bücher