Der kommende Aufstand
nichts abspielt außer der unaufhörlichen
Wiederzusammensetzung einer Identität.
Es wäre Zeitverschwendung, einzeln
aufzuführen, was alles in den bestehenden sozialen Beziehungen
im Sterben liegt. Man sagt, dass die Familie wiederkommt, dass
die Paarbeziehung wiederkommt. Aber die Familie, die
wiederkommt, ist nicht diejenige, die weggegangen war. Ihre
Rückkehr ist nur eine Vertiefung der herrschenden Trennung, über
die hinwegzutäuschen sie hilft, wodurch sie selber zu einer
Täuschung wird. Jeder kann die Mengen an Traurigkeit bezeugen,
die die Familienfeste Jahr für Jahr kondensieren, diese mühsamen
Erinnerungen, diese Verlegenheit, weil man sieht, wie alle
vergeblich simulieren; dieses Gefühl, dass da,auf dem Tisch, ein Kadaver liegt, und dass alle
so tun, als ob nichts wäre. Vom Flirt zur Scheidung, vom
Konkubinat zum Patchwork, jeder fühlt die Vergeblichkeit des
traurigen Familienkerns, aber die meisten scheinen der Meinung
zu sein, dass es noch trauriger wäre, darauf zu verzichten. Die
Familie, das ist nicht mehr so sehr das Ersticken an
mütterlichem Einfluss oder das Patriarchat der Schläge in die
Fresse, sondern die infantile Hingabe an eine flaumige
Abhängigkeit, wo alles bekannt ist, dieser Moment von
Sorglosigkeit angesichts einer Welt, von der niemand mehr
bestreiten kann, dass sie zusammenbricht, einer Welt, in der
»autonom werden« ein Euphemismus ist für »einen Chef gefunden
haben und Miete bezahlen«. In der biologischen
Familienzugehörigkeit würde man gerne die Ausrede finden, um
jede ein wenig brisante Entschlossenheit in uns zu korrodieren,
um uns dazu zu bringen, dass wir – unter dem Vorwand, man habe
uns aufwachsen sehen –, auf jedes Erwachsen-Werden wie auf den
Ernst der Kindheit verzichten. Vor dieser Korrosion muss man
sich schützen.
Das Paar ist wie die letzte Stufe des großen
gesellschaftlichen Fiaskos. Es ist die Oase in der Mitte der
menschlichen Wüste. Man kommt dorthin, weil man unter dem
Vorzeichen des »Intimen« alles sucht, was so offensichtlich die
zeitgenössischen sozialen Beziehungen verlassen hat: Wärme,
Einfachheit, Wahrheit, ein Leben ohne Theater und
Zuschauer. Aber wenn das verliebte Schwindelgefühl vergangen
ist, lässt die »Intimität« ihre alte Kutte fallen: Sie ist
selber eine gesellschaftliche Erfindung, sie spricht die Sprache
der Frauenzeitschriften und der Psychologie, sie ist wie der
Rest mit Strategien gepanzert bis zum Erbrechen. Es gibt dort
nicht mehr Wahrheit als anderswo, auch dort herrschen die Lüge
und die Gesetze der Fremdheit. Und wenn man dort mit Glück diese
Wahrheit findet, macht sie ein Teilen
erforderlich,das die Form des Paares selbst
widerlegt. Das, wodurch Wesen sich lieben, ist genauso gut das,
was sie liebenswert macht, und ruiniert die Utopie des Autismus
zu zweit.
In Wirklichkeit ist der Zerfall aller sozialen Formen eine
einmalige Gelegenheit. Er ist für uns die ideale Voraussetzung
für ein wildes massenhaftes Experimentieren mit neuen
Zusammenstellungen, neuen Formen der Treue. Der berühmte
»Rückzug von den elterlichen Pflichten« erfordert von uns eine
Konfrontation mit der Welt, die in uns eine frühreife Klarsicht
erzwungen hat und einige schöne Revolten verkündet. Im Tod des
Paares sehen wir aufregende Formen kollektiver Affektivität
entstehen, jetzt, wo Sex völlig abgenutzt ist, wo Männlichkeit
und Weiblichkeit alte, mottenzerfressene Kostüme anhaben, wo
drei Jahrzehnte stetiger pornografischer Innovationen jeglichen
Reiz der Übertretung und der Befreiung erschöpft haben. Was es
an Bedingungslosem in den Verwandtschaftsverhältnissen gibt,
beabsichtigen wir durchaus zum Gerüst einer politischen
Solidarität zu machen, die für staatliche Einmischung ebenso
undurchdringlich ist wie ein Zigeunerlager. Es gibt nichts – bis
hin zu den nicht enden wollenden Subventionen, die viele Eltern
gezwungen sind ihrer proletarisierten Nachkommenschaft zu zahlen
–, was nicht eine Art von Mäzenatentum zugunsten der sozialen
Subversion werden könnte. »Autonom werden« könnte genauso gut
bedeuten: lernen, auf der Straße zu kämpfen, sich leere Häuser
anzueignen, nicht zu arbeiten, sich wahnsinnig zu lieben und in
den Geschäften zu klauen.
7 Republikanische Sicherheitskompanie, A.d.Ü.
Dritter Kreis »Das Leben, die
Gesundheit, die Liebe sind prekär,
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