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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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was ein paar Stunden zusätzlich an unnötigem Spielraum ausmachen konnten. Im schlimmsten Fall.
    Und es sprach einiges dafür, dass das hier der schlimmste Fall war.
    Man war zwanzig Minuten nach vier Uhr da. Ein grauer Dunst hing in der Luft über dem Wasser, und der Wald war voller Vogelstimmen. Man parkte hintereinander auf dem schmalen Kiesweg, ging in geschlossenem Trupp zum Haus; der Hauptkommissar klopfte zweimal an die Tür, aber kein Lebenszeichen war zu vernehmen.
    Er drückte die Klinke herunter. Es war offen, und in größtmöglicher Stille begab sich die gesamte Gruppe hinein in das Dämmerlicht des Wohnzimmers. Jung fand einen Lichtschalter und knipste ihn an, dann nickte der Hauptkommissar Kluuge zu, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg die Treppe zum Obergeschoss hinauf.

    Auf halbem Weg blieben sie stehen. Eine Tür wurde irgendwo oben geöffnet, und Frau Fingher kam ihnen entgegen.
    In Pantoffeln und einem abgetragenen blauen Morgenrock, aber ohne offensichtliches Zeichen, dass sie aus dem Schlaf geweckt worden war.
    Van Veeteren nickte Kluuge erneut zu.
    »Frau Fingher«, sagte Kluuge. »Ich bitte Sie, sich als angeklagt zu betrachten, angeklagt des Mordes an Oscar Jellinek und des ...«
    Er kam aus dem Takt.
    Bitten, sich zu betrachten? dachte Reinhart.
    » ... Und der Mithilfe am Mord an Clarissa Heerenmacht und Katarina Schwartz. Sie haben das Recht zu schweigen, aber alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwandt werden.«
    Frau Fingher stand reglos da und hielt sich am Treppengeländer fest. Ihr grob geschnittenes Gesicht wurde von einem Schauder überlaufen, dann sank sie auf den Treppenstufen zusammen und legte ihren Kopf in die Hände. Es vergingen fünf Sekunden.
    »Es ist vorbei«, sagte Van Veeteren und streckte ihr eine Hand entgegen.
    Sie ergriff sie, und er führte sie hinunter ins Zimmer. Platzierte sie in einen der hochlehnigen Sessel und wartete noch einen Moment. Sie zog ein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase.
    »Ja«, sagte sie dann. »Es ist vorbei.«
    »Wo ist Ihr Sohn?«, fragte Reinhart.
    Sie machte eine Kopfbewegung zum oberen Stockwerk hin.
    Reinhart und Jung liefen die Treppe hinauf und verschwanden in der Dunkelheit.
    »Warum haben Sie Oscar Jellinek getötet?«, fragte der Hauptkommissar.
    Sie holte tief Luft.
    »Ich war gezwungen«, sagte sie.
    »Ja?«, sagte der Hauptkommissar.
    »Er ist doch einfach aufgetaucht.«

    »Aufgetaucht?«
    Ein weiterer Schauder durchlief sie, aber das schien sie gar nicht zu bemerken. Der Hauptkommissar wusste, dass im Augenblick der Kontakt zwischen ihrem Körper und ihrer Seele unterbrochen war.
    »Ja, da auf dem Weg ... ist er aufgetaucht.«
    »Gerade als Sie Clarissas Körper an der Espe hingelegt haben?«
    Sie nickte.
    »Ja. Ich habe gesehen ... dass er alles begriffen hat. Er hat es auch gesagt ... was sollte ich denn tun?«
    »Wie haben Sie es gemacht?«
    »Mit dem Spaten«, erklärte sie. »Ich habe ihn mit dem Spaten geschlagen. Es tut mir Leid ... ich habe ... das war ...«
    Aber es kam keine Fortsetzung. Stattdessen tauchte Reinhart oben auf dem Treppenabsatz auf.
    »Er liegt nicht in seinem Bett«, erklärte er. »Wo ist Ihr Sohn, Frau Fingher?«
    Überrascht schaute sie auf.
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Was zum Teufel ist denn hier los?«
    Mathias Finghers kräftige Gestalt – in blassblauem, verwaschenem Pyjama – bahnte sich an Reinhart vorbei seinen Weg, Jung im Schlepptau.
    »Was meinen Sie damit, dass ...«
    »Setzen Sie sich und seien Sie still!«, unterbrach ihn Van Veeteren. »Wir sind gekommen, um Ihren Sohn wegen Mordes an zwei Mädchen und Ihre Frau wegen des Mordes an Oscar Jellinek festzunehmen!«
    »Was?«
    »Wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten nichts davon gewusst!« , legte Reinhart los. »Es besteht auch gegen Sie der Verdacht auf Mithilfe und die Vertuschung von Straftaten.«
    Einen Moment lang sah es aus, als wollte Mathias Fingher in Ohnmacht fallen. Er schwankte, fand aber sein Gleichgewicht wieder. Nahm die fehlenden Treppenstufen nach unten, schaute
sich verwirrt um, bevor er von Servinus auf das schäbige Sofa gedrückt wurde.
    »Was zum Teufel ...?«, stotterte er. »Das muss doch ...«
    »Es tut mir Leid«, wiederholte Frau Fingher, ohne ihren Ehemann anzusehen. »Das ist ... es gab einfach keinen anderen Ausweg.«
    »Verdammt noch mal!«, schnitt ihr Reinhart das Wort ab. »Wo ist Ihr Sohn?«
    »Nun?«, fragte der Hauptkommissar.
    »Er muss noch schlafen ...«,

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