Der Kontinent der Lügen
an
sich.
»Guten Tag.« Zwei vorsichtige Worte, gefolgt von zwei
vorsichtigen Schritten nach vorn.
Das Licht ging an, und in meinem Lieblingsliegestuhl saß ein
Ding, das ich sofort als einen Roboter der Gattung Pseudokortex identifizierte, so ungefähr die klügste Maschine, die
je von einem Mann oder einer Frau zusammengeschraubt worden war.
Kater Basil saß oben auf dem Bücherbord und fauchte auf
ihn herunter.
Wenn ich ›Roboter‹ sage, stellen Sie sich wahrscheinlich
eins der heutigen Modelle vor, eine athletisch aussehende, mit
Schaltkreisen vollgestopfte Gliederpuppe. Aber im Jahre A.G. 791
wollten die Leute nicht, daß ihre Servomechanismen ihnen
ähnlich sahen. Doppelgänger waren ihnen unheimlich. Das
Problem wurde dadurch gelöst, daß man das hocheffiziente
humanoide Design beibehielt und die Haut dann mit zwecklosen
Kondensatoren, sinnlosen Widerständen, absurden Dioden und
notwendigen Drähten pflasterte.
»Man nennt mich für gewöhnlich Iggi«, sagte
die Maschine, »obwohl ich die nicht abgekürzte Version
bevorzuge: Informations-Gewinnungs- und Gruppierungs-Interface. Mit
anderen Worten, ich bin ein Spion« – der Stolz in seiner
Stimme war gleichzeitig irritierend und anrührend –,
»zumindest bin ich so programmiert. Darum hatte ich auch keine
Mühe, Ihr Schloß zu knacken.« Das Wort
›Spion‹ ließ mich vermuten, daß Iggi einen
Industriespion meinte. Sein Stolz auf dieses ererbte Talent war
verständlich, denn Roboter, die solche Arbeit machten,
führten ein glamouröses, risikoreiches Leben; sie stahlen
Geheimformeln, schmuggelten Prototypen aus Fabriken oder tauschten
unorthodoxe sexuelle Gunstbezeugungen gegen Blaupausen. Ich habe mal
eine begeisterte Kritik über eine Industriespionagekapsel mit
dem Titel Der Sinn der Angst geschrieben.
»Unglücklicherweise zieht Clee Selig es vor«, fuhr
Iggi mürrisch fort, »mich als Diener und Botenjungen zu
benutzen – Sie können sich nicht vorstellen, wie
erniedrigend das ist. Kennen Sie den Namen meines Herrn?«
Clee Seligs Namen nicht zu kennen war damals dasselbe, als ob man
sein eigenes Spiegelbild nicht erkennen würde. Iggi war
anscheinend im Auftrag des berühmten Zephapfelerfinders hier.
Welches Protokoll war einem solch seltenen Gast angemessen? Sollte
ich dem Roboter eine Partie Blitzschach anbieten?
»Er möchte mir etwas mitteilen?«
»Die Botschaft lautet folgendermaßen.« Darauf
ertönte das Androiden-Gegenstück eines Räusperns, und
anschließend stürzte sich Iggi in eine fehlerlose
Imitation von Selig, wie ich vermutete.
MR. QUINJIN, SIE SIND EIN BEGABTER KRITIKER. ICH WERDE IHNEN DIE
SUMME VON ZEHNTAUSEND FURNIEREN IN BAR FÜR DIE REZENSION EINES
UNBETI-TELTEN ZEPHAPFELS BEZAHLEN, DER SICH GEGENWÄRTIG IN
MEINER PRIVATSAMMLUNG BEFINDET. WENN IHRE ANTWORT JA LAUTET, SEIEN
SIE BITTE MORGEN VOR 18 UHR SÜDLICHER QUADRISPHÄRISCHER
ZEIT IN MEINER BIBLIOTHEK. IGGI HAT IHR DE-KONSTRUKTIONSTICKET DABEI.
MIT FREUNDLICHEN GRÜSSEN, DR. CLEE SELIG.
In diesem Moment bekam der Roboter wieder eine Ladung
Katzenspeichel ab.
Zehntausend Furniere! Im Jahre A.G. 791 war das eine Summe, die
nicht zu verachten war. Mit zehntausend Furnieren konnte ich den
Vermieter für ein Jahr beschwichtigen, meinen Körper auf
etwas Weicheres als Strandmöbel betten, Basil hin und wieder
eine Dose Thunfisch zukommen lassen und mich ganz allgemein aus dem
schlimmsten Elend heraushieven, um fortan wenigstens in vornehmer
Armut zu leben.
Iggi sah aus, als ob er drauf und dran wäre, Säure auf
meine Katze zu speien. »Ich werde Ihre Antwort unverzüglich
weiterleiten, sobald ich sie habe.«
»Zehntausend Furniere?«
»In bar.«
»Für eine schäbige Kritik?«
»Ganz recht.«
»Wo muß ich unterschreiben?«
2
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Der Lotosfaktor
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Selbst auf dem Gipfel ihrer Berühmtheit war die
Wendcraft-Universität nicht auf der Karte zu finden.
Natürlich war sie auf Karten verzeichnet –
täuschend krakeligen Skizzen, die jeden Herbst an die
Erstsemester verschickt wurden –, aber sie war nicht auf der Karte, der offiziellen regierungsamtlichen Karte, die, wie man
die meisten Leute mittels Gehirnwäsche glauben gemacht hatte,
jeden Teil von Terransektor enthielt, der einen Besuch lohnte. Den
Besitzern von Wendcraft war es natürlich ganz recht so, da sie
voll und ganz von der abgedroschenen Weisheit überzeugt waren,
daß die Wissenschaft am besten im Verborgenen blüht, weit
weg von den forschenden Blicken und den lästigen
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