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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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nach ihren Wünschen verlief,
meinen Namen, woraufhin eine hübsche, livrierte Platzanweiserin
erschien und mich vorn an der Schlange vorbei in den Laden
führte, wo Träume wahr wurden.
    Wie es für die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
erbauten Salons typisch war, hatte das Kathexis eine hohe Kuppel und
ähnelte einer Moschee. Die Gummisessel waren mit Fruchtwasser
gefüllt, und die ausladenden Wände waren zum Schutz jener
vereinzelten Besucher gepolstert, die sich aus ihren Gurten
herauswanden und Amok liefen. Salons jüngeren Datums waren
nichts weiter als rechteckige Lagerhallen voller Wasserbetten, eine
Einrichtung, die sich eher zum Bumsen als zum Halluzinieren eignete.
Ich habe immer schon vermutet, daß Paare, die beide Medien
vermischten, keins von beiden voll auskosten konnten. (Die Ausnahme
war natürlich jene Art von Traum, die ausdrücklich dazu
gedacht war, sozusagen lustvoll konsumiert zu werden. Wenn man seine
Karten richtig ausspielte, konnte man so etwas wie einen vierfachen
Orgasmus miterleben: den eigenen, den seiner Traumfigur, den seiner
Partnerin und den der Traumfigur der Partnerin. Ich habe eine
derartige Synchronizität nur ein einziges Mal erlebt, und sie
wird mir immer in Erinnerung bleiben.)
    Die Platzanweiserin deutete auf den einzigen freien Platz, und ich
sah, daß ein Fetzen Papier mit meinem falsch geschriebenen
Namen darauf lag. Bevor ich mich auf den Sitz fallen ließ,
nutzte ich die Gelegenheit, mir die anderen Besucher aufmerksam
anzusehen, denn solche geistigen Notizen fanden oftmals ihren Weg in
meine Rezensionen (»Das Publikum schien hauptsächlich aus
Zuhältern und Kidnip-Süchtigen zu bestehen, was diesem
neuesten Angriff des Webers der Hydraulischen Nächte auf
die Zivilisation auch durchaus angemessen ist.«) Sie waren ein
vielgestaltiger Haufen, alle Altersstufen und Schattierungen, aber
vereint durch die zombiehafte Passivität, die sich auf dem
Gesicht des Kapselschluckers breitmacht. Hier drüben
erblühte ein flüchtiges Lächeln, dort war ein kurzes
Glucksen zu hören, hinter mir ertönte ein abgerissener Laut
des Erschreckens; keiner träumte genau zeitgleich mit den
anderen.
    Ich schnallte mich auf meinem Sitz an, was dazu führte,
daß sich ein mechanischer Arm wie eine hypnotisierte Kobra aus
dem Boden erhob. Der Arm endete in einer behandschuhten Hand. Die Kröte der Nacht lag auf der Handfläche. Wie alle
Traumkapseln war sie ein simples Ding: kein Kern, keine Vertiefung,
keine Samen, nur nichtssagendes Fleisch unter einer glänzenden
roten Schale. Als ich die Hand ausstreckte und mir meinen Zephapfel
nahm, verspürte ich einen Anflug von Nostalgie. In der guten
alten Zeit hatte man den Traum von der Platzanweiserin auf einem
Tablett serviert bekommen.
    Drei Bissen, und Die Kröte der Nacht war in meinem
Magen. Meine Sinne begannen ihren Dienst einzustellen, und meine
Skepsis versickerte.
    Ich bin kein Wissenschaftler. Verlangen Sie nicht von mir, Ihnen
zu erklären, was ein Zephapfel genau tut, wenn sich seine
unternehmungslustigen kleinen Moleküle darangemacht haben, ins
Großhirn einzudringen. Ein Mikrobiologe hat mir einmal
erzählt, daß man kein normales Pflanzengewebe zu sehen
bekommt, wenn man eine Zephapfelscheibe unter einem Photonskop
untersucht, sondern ein Waffelmuster pulsierender Sechsecke, die
allesamt von vornherein darauf eingestellt sind, in einer bestimmten
Nanosekunde eine bestimmte Ansammlung von Gehirnzellen zu aktivieren,
wie eine Zündkapsel bei einer sorgfältig orchestrierten
Sprengung. Naturgemäß konnten sich diese Technologie und
ihre zahllosen Vorgänger, die einerseits fragwürdig
(beispielsweise LSD-49), andererseits legitim waren (der
Rossiter-Zauberpilz zum Beispiel), erst im letzten Jahrhundert
entwickeln, als sich die Neurokartographie als einwandfreie
empirische Wissenschaft herauskristallisierte und es bei der
Herbeiführung narrativer Halluzinationen nur noch darum ging,
die richtigen enzymatischen Wege zu bahnen. Aber ich will Ihnen etwas
gestehen. Der gleiche Mikrobiologe hat mir gegenüber zugegeben,
daß eine Facette des Zephapfel-Phänomens immer völlig
im dunkeln geblieben ist. Kein Mensch wußte, wie der Traumweber
während seiner kreativen Trance ein biochemisch derart
kohärentes Drama ersinnen konnte, daß es – als
Plasmid ausgefällt, als Samenkorn gepflanzt, zum Baum
großgezogen und als Frucht verzehrt – sein Publikum
schließlich in eine seiner Figuren transformierte. Sie sehen
also, die

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