Der Kopflohn
»Diesen Mann nennt die Heilige Schrift als Beispiel für einen, der sich ein Amt anmaßen wollte.«
Rifke sagte: »Daß das auch wieder ein Katholischer sein muß.«
Er fischte ein weißes Dahlienblättchen aus seinem Weinglas. Luise stieß ihn an. Daheim verkochten die Kartoffelklöße im Salzwasser.
»Es ist ja auch keine Heirat, Rifke. Nich wie bei Ihnen. So is das ja auch gar nicht gemeint. Bloß wie ’n Schemel vorm Brautbett.
Herr Rifke, Ihnen und Ihrer Luise brauche ich keine Vorträge zu halten wie sonst meinen Brautleuten. Sie haben den Ernst in sich. Sie wissen Bescheid. Grüßen Sie Ihre Eltern.«
Sie kamen aber noch zu früh heim. Konrad Bastian hatte nämlich inzwischen seine Gäste auf die neue Gartenbank gesetzt, die er zu diesem Zweck gestern aufgestellt hatte. In der Küche richteten sie der Sophie auf einem Teller drei Gläschen mit selbstgebranntem Zwetschgenwasser. Sophie Bastian war ähnlich der ältesten Tochter des Andreas Bastian. Auch ihre Brauen waren farblos; doch in dem blassen, vor Angst jetzt glänzend weißen Gesicht standen die Schatten dunkler Wimpern. In ihrem dünnen Hals und ihren bis zu den Ellenbogen bloßen Armen waren die Adern sichtbar. Sie trug ein weißes Sommerkleid.
Der junge Merz starrte mürrisch in die blaue Glaskugel über dem Dahlienbett. Als er Schritte hörte, drehte er den Kopf und sah dem Mädchen gespannt entgegen. Sie kam steif und langsam näher, um nichts zu verschütten. Der junge Merz war außerordentlich enttäuscht. Je näher das Mädchen kam, desto enttäuschter wurde er. Er verbarg seine Enttäuschung nicht, sondern sah sie finster an, griff eins der Gläschen vom Teller, schluckte und verzog das Gesicht. Bastian sagte unruhig: »Gib schon die Hand, Mädel.« Sophie gab erst dem alten Merz die Hand, dann dem jungen. Ihre Hand war kalt vor Angst, der Puls schlugin die Fingerspitzen. Der junge Merz drückte die kalten, dünnen Finger in seiner Hand zu einer kleinen Faust zusammen. Sein Gesicht veränderte sich langsam, er lächelte schließlich – zum erstenmal seit einem Jahr. Sein Vater lächelte hinterher, verbarg es schnell. Bastian merkte, daß in der Stimmung seiner Gäste ein Umschwung eingetreten war, und seufzte erleichtert. Der alte Merz stieß den Sohn an, die Hand des Mädchens endlich loszulassen. Im Grunde seines Herzens gefiel ihm der Sohn jetzt und belustigte ihn. Er hatte Konrad Bastians Vater gekannt, der nicht viel mehr gewesen war als ein Schlucker. Im tiefsten Grund seines Herzens dachte der alte Merz, die Bastians könnten froh sein, daß ihr Kind dem seinen Lust bereitete.
Der junge Merz hatte das Mädchen losgelassen. Er starrte sie unverhohlen an. Ihr weißes Gesicht wurde noch weißer. Ihre Schultern zitterten. Wie Pendel schwangen leise die schwer gewordenen Arme in den Achseln. Der alte Merz wurde ein wenig ungeduldig. Konrad Bastian war zufrieden. Dem Gesicht des jungen Merz war unschwer der glückliche Ausgang der Brautschau anzumerken. Bastian wunderte sich, denn er hatte immer gefürchtet, für das kränkliche, blasse Mädchen sei ein ordentlicher Freier schwer zu finden. Er sagte schließlich: »Nu, geh schon zur Mutter, Mädchen.«
Sophie gab noch einmal den beiden Gästen die Hand. Der junge Merz faßte sie ums Handgelenk. Dann lief sie in die Küche.
In der Küche saßen wartend ihre Mutter, ihre Großmutter, ihre Patin aus Botzenbach und die Magd. Sie riefen: »Wie war’s? Wie war’s?« Sophie drückte sich ans Fenster und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Die Mutter packte sie, riß ihr die Hände vom Gesicht und rief aufgeregt: »Na, red doch schon!« Sophie weinte. Die Frauen riefen: »Je! Je!« Die Großmutter lachte, das leise, rasselige Lachen alter Leute. Die Mutter sagte: »Na, wenn du jetzt schon flennst!«
V
»Damals hab ich auf meine Raten ausgerechnet, was aus den Schweinen, aus den Hühnern, aus den Äpfeln rausspringt auf die Pumpe. Nun aber is ’n Apfeljahr, und Gold & Sohn gibt fürs Kilo sechs Pfennig sage und schreibe. Die Schweine haben ihren Verdienst selbst aufgefressen. Nur die Raten sind eisern geblieben.« Auf Bastians Gesicht lag eine tiefe Verwirrtheit, der Widerschein baren Geldes auf dem Tisch.
»Kastrizius, am Markt. Merk dir’s. Hör mal, wie das kam. Damals hat der Heisler nebenan seine Pumpe gebohrt. Sein Niklas heiratet doch. Die Schwiegereltern sagten, Wasser soll sie nich tragen. Ich hab den Heisler gefragt, ob ich mein Rohr anschließen kann. Er hat aber nein
Weitere Kostenlose Bücher