Der Krankentröster (German Edition)
Problemen und ihren Krankheiten erzählen und sogar dabei weinen. Nicht über mich. Nein. Früher sah ich das nicht als egoistisch an. Sondern sah es als menschlich an, sie zu trösten und sie aufzubauen. Doch in einem Zustand, wo es einem richtig mies geht, da dachte ich, müsste das jetzt nicht mal umgekehrt sein? Ich spürte, welche Menschen einen wirklich lieben und welche einen nur benutzen oder wem man einfach nur gleichgültig ist. Und das schmerzt ein bisschen. Aber es hilft auch, seine wahren Freunde zu finden und schätzen zu lernen.
Und da erklärte mir die Psychoonkologin Frau Kiefer: Es gibt egomane Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, die selbst wenn jemand in seinem Erbrochenen auf dem Boden liegt, nur sich sehen. Und dann sagte sie lächelnd: »Und nun haben Sie auch noch die Frechheit, mit Ihrer schweren Erkrankung im Mittelpunkt zu stehen. Schämen Sie sich!«
Ich mochte sie sehr, sie gab mir viele nützliche Tipps und erklärte mir viele psychologische Abläufe und Denkweisen, die einem wirklich das Leben erleichtern.
Ein Satz war für mich sehr wichtig, den ich immer wieder versuche, mir ins Gedächtnis zu rufen: Ihre Kinder und Ihr Mann sind Ihre Pflichtebene. Alles andere ist Luxus, welchen ich mir so einteilen soll, wie ich Lust und Zeit habe. »Sie haben nur eine Aufgabe hier, gesund zu werden und für Ihren Mann und die Kinder da zu sein, die Sie brauchen. Alles andere ist unwichtig.«
Und als sie sich leider im September verabschiedete, da sie im Krankenhaus nicht weiterbeschäftigt wurde, gab sie mir noch mit auf den Weg: »Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich nicht immer so viel Gedanken um die anderen machen, sondern sich selbst in den Mittelpunkt Ihres Betrachtens stellen. Das wünsche ich Ihnen sehr.«
Und da sagte ich: »Na ja, es ist auch immer eine ganz gute Möglichkeit, seinem eigenen Leid auszuweichen, wenn man das der anderen mehr sieht.«
Frau Kiefer: »Ja, diese Art von Verdrängung üben auch Ärzte zu gern aus.«
Bei dieser letzten Geschichte weiß ich auch nicht, ob ich zu lang und detailliert meine »Leiden« geschildert habe. Es soll ja ein aufmunterndes und aufheiterndes Buch werden. Aber natürlich habe ich auch viele traurige, nicht schöne Sachen erlebt, und wenn man die ganz weglässt, bekommt der Leser vielleicht den Eindruck, Leukämie ist nicht so schlimm. Bin hin- und hergerissen. Was meinst Du?
Habe noch einen Witz von Lilith auf meinem iPhone gefunden, denn sie hatte vergessen, sich auszuloggen ☺, und der gefiel mir richtig gut. Ist natürlich ein Männerwitz, aber es schadet ja nichts, wenn meine Tochter rechtzeitig lernt, wie ihr tickt!
»Mich fragte Gott, ob ich ein gutes Gedächtnis oder einen großen Penis haben will.« »Und was hast du geantwortet!?« »Hab ich vergessen.«
Ich wünsch Dir eine gute Nacht
Gaby
Hi Gaby,
mach Dir mal keinen Kopp, ich finde sachliche Informationen über die vielen verschiedenen Probleme, die man als Patient hat, genauso wichtig und hilfreich wie die Entertainment-Beiträge, denn es zeigt ja dem Leser: Die Frau kennt das alles, die weiß, wovon sie schreibt! Und dann noch einen Glückwunsch an Deine Tochter: Den Witz kannte ich noch nicht. Und mir einen neuen Gag erzählt zu haben, können nicht viele Menschen auf der Welt von sich behaupten!
Ein weiterer Lieblingsspruch für mich aus Deiner Sammlung ist übrigens: Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade daraus! Großartig. Mir fiel sofort die Anfangsszene aus »Tom Sawyer« ein. Die Tante hat ihn verdonnert, ihren Zaun zu streichen, und Tom verkauft seinen Freunden, die sich erst lustig machen, das als Traumjob, lässt sie malen und kassiert noch Kohle dafür. Die Ethik lassen wir jetzt mal beiseite, man kann nicht alles haben.
Liebe Grüße
Jürgen
Hallo Jürgen,
Hatte die letzten Tage einen seelischen Durchhänger, vor allem nach dem Gespräch mit der Patientenfürsprecherin. Schwarze Gedanken kamen auf. Aber wenn ich diese alten Mails und Witze durchstöbere, erhellt sich mein Gemüt wieder. Habe auch in unserem Trösterbuch gelesen und siehe da: Das baut echt auf. Funktioniert!
Und jetzt suche ich mal alles zusammen, was mir in der Anfangszeit besonders viel Kraft und Mut gegeben hat, zum Beispiel die Mail unten von Micha. Hier ist schon mal eine ganz wichtige Sache: zu wissen, dass man in guten Händen ist. Zudem hat es mich sehr gerührt, wie Micha auf der ganzen Welt nach der besten Behandlungsmethode gesucht hat
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