buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
Vorbereitung
Lange vorbereitet habe ich mich nicht; die Entscheidung kam eher schleichend, dann endgültig erst zwei Monate vor dem Starttermin im September 2012. Ich habe mir vier Wochen freigenommen, von denen ich zwei Wochen den Camino gehen wollte. Als Alternativen zum Camino standen der Fernwanderweg von München nach Venedig auf dem Programm oder eine Woche mit einem Segelboot über die Ostsee zu fahren. Die Idee mit dem Segelboot schied schnell wieder aus, weil ich Angst hatte, mit unbekannten Menschen auf engstem Raum auskommen zu müssen. Zwischen München und Venedig waren mir zu viele hohe Berge. Blieb also der Camino, der mir durch diverse Bücher auch irgendwie vertraut erschien. Außerdem war mir klar, dass er für einen ungeübten Wanderer wie mich eine sehr gute Infrastruktur bietet. Am Camino gibt es fast überall gute oder akzeptable Hotels, in denen viele der Pilger übernachten. Auf Übernachtungen in Herbergen hatte ich meine Ausrüstung zwar vorbereitet, wollte diese jedoch nach Möglichkeit meiden. Ein weiterer Grund für den Camino war schlicht und einfach: Ich mag Spanien und reichlich Sonne.
Klar bin ich zuvor auch gewandert, aber immer nur Tagestouren auf dem Hermanns-Weg oder auf Mallorca und auch ohne Gepäck. Nichts mit echtem körperlichen Training. Ich bin Ende 40, schlank (beste Voraussetzungen für lange, schnelle Wandertouren), bekennender Brillenträger, ein großer Teil meiner Haupthaare und ich gehen schon seit vielen Jahren getrennte Wege. Beruflich bin ich hinterm Schreibtisch gefesselt und treibe aus gesundheitlichen Gründen keinen Sport. Ich habe sportliche Bekannte und eine Frau, die alle paar Jahre etwas mit den Bändern oder diverse Knochenbrüche haben. Nein, is' nix für mich, ich muss auf mich aufpassen! Ich fahre einmal im Jahr für eine Woche Ski. Das genügt und ist schon gefährlich genug. Besonders mit gelegentlichem Restalkohol am Morgen.
Im Nachhinein muss ich sagen , dass das Wandern auf dem Camino etwas von Ski-Urlaub hatte: tagsüber Sport und am Abend gemütlich reden und auch mal feiern. Ich hätte einiges vom Camino erwartet, aber nicht, dass er so unterhaltsam werden würde. Wer eine durchgeistigte Wanderung erwartet, den muss ich enttäuschen. Natürlich gab es auch die ruhigen, gedankenverlorenen, fast meditativen Momente sowie die intensiven, ernsthaften Gespräche mit fremden Menschen, die auch ein wichtiger Teil meiner Wanderschaft (oder Pilgerschaft?) waren.
Meine initiale Motivation, 14 Tage zu wandern, war eher „einfach mal weg“ vom stressigen Alltag, um irgendwas zu tun, was mir etwas Abenteuer und echte Abwechslung bringt. Ich habe ein Home-Office; mein größter Luxus ist, einfach mal nicht erreichbar zu sein. An dieser Stelle tut der Autor einen tiefen Seufzer.
Wenn ich früher total genervt war , konnte ich als Geschäftsführer eines größeren Unternehmens wenigstens mal mit Mitarbeitern reden, schimpfen oder irgendwen entlassen. Das geht im Home-Office natürlich nicht mehr. Da sind nur meine Frau und die Kinder, mit denen mag ich aus emotionalen Gründen nicht schimpfen, und aufgrund wirtschaftlicher Aspekte mag ich sie nicht entlassen.
Mein Camino -Antrieb, „einfach mal weg zu sein“, hatte sich bis zum Start zum größten Teil in Luft aufgelöst. Ich hatte vor dem Start meine Dinge geregelt, um dann den Camino unbeschwert angehen zu können. Damit war es für mich perfekt! Es macht einen großen Unterschied, ob man den Camino geht, weil man von irgendwo weg will, oder weil man zu ihm hin will!
Eine populäre Motivation , den Camino zu gehen, ist, irgendwas zu finden oder irgendwas loszuwerden, ihn als eine Art Therapie zu sehen. Auch diese Motivation habe ich bei Pilgern erkannt, sie scheint mir aber nicht mehr so dominant zu sein.
Es existiert natürlich auch noch der ursprüngliche Anlass, den Camino zu gehen. Modern gesprochen, ist ja die Idee der Pilgerwege ein religiöses Belohnungssystem: „Gehe den Pilgerweg, und du bekommst als Gegenleistung die Hälfte deiner Sünden erlassen.“ Im Pilgerjahr bekommt man sogar alle Sünden erlassen. Wer keine Sünden mehr hat, erhält nach dem Tod bekanntlich ewiges Leben und Glückseligkeit. Bis heute ist kein Fall belegt, bei dem es nicht funktioniert hätte.
Zwei Wochen „off sein“: nur ich und was ich will − keine Verpflichtung, kein Termin. Je näher der Termin rückte, um so neugieriger wurde ich auf das Abenteuer, den Weg, die Menschen und die Natur. Ich konnte es
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