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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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lassen. »Die Kriegslage hat sich nicht unbedingt zu Japans Vorteil entwickelt«, hieß es weiter. Wie gut, dass die japanische Sprache so vieldeutig war. Doch oft ist der Weg nur Nebensache, wenn am Schluss das Ziel erreicht wird. Hirohitos Ansprache rührte viele seiner Untertanen zu Tränen. Das Volk hörte den Kaiser zum ersten Mal wie einen Vater zu seinen Kindern sprechen, und was er sagte, war beinahe zu schön, um wahr zu sein: Der Krieg war zu Ende.

 
    Ende und Anfang
     
     
     
    Die japanische Abordnung hangelte sich unbeholfen das Fallreep zur USS Missouri hinauf. Jeder der Diplomaten hätte gern die Kapitulationszeremonie an Bord des Schlachtschiffes schnellstens hinter sich gebracht. Aber Mamoru Shigemitsu, der Leiter der Delegation und frühere Botschafter Japans in London, hatte ein Holzbein. Das heißt, er ging voraus und alle anderen mussten sich seinem Tempo anpassen.
    Es war der 2. September 1945, kurz vor neun Uhr. David befand sich bereits an Bord des gewaltigen Schiffes, das ihm von der Schlacht bei den Midway-Inseln noch gut in Erinnerung war. Die Missouri ankerte in der Bucht von Tokyo. Nach Hirohitos Rundfunkansprache hatte David mit General MacArthur Kontakt aufgenommen und ihn darüber in Kenntnis gesetzt, dass der kaiserliche Kapitulationserlass keine Kriegslist darstellte. Wenige Tage später, am 26. August, waren die ersten amerikanischen Truppen auf dem Flugplatz Atsugi außerhalb von Tokyo gelandet.
    Im Vorfeld der Besetzung des Landes hatte es bei den Einheimischen ernste moralische Bedenken gegeben. Besorgte Familienoberhäupter schickten halbwüchsige Töchter aufs Land oder versteckten sie in Holzverschlägen. Zweifellos würde mit den amerikanischen Besatzern eine Horde sexuell ausgehungerter Barbaren über das Land herfallen. So glaubte man. Als die vermeintlichen Bestien dann kamen, wunderte man sich.
    Sie lächelten. Nicht etwa schmierig, um sich mit vorgehaltener Waffe irgendwelche Liebenswürdigkeiten zu erkaufen, sondern freundlich. Die GIs wollten sich beliebt machen.
    Nach wenigen Tagen ignorierten bereits die ersten Mädchen die Verbote der Eltern und krochen aus Holzverschlägen und Kellern hervor. Von diesem Zeitpunkt an begann der Siegeszug der amerikanischen Cornedbeef-Dosen und Lucky-Strike-Packungen.
    Die Ereignisse an Bord der USS Missouri ließen David den Ärger vergessen, den der Oberbefehlshaber der Alliierten ihm kurz zuvor bei einem gemeinsamen Frühstück beschert hatte. Anlass war das Versprechen General MacArthurs, sein Japan-Berater werde in Bälde einen eigens für ihn eingeflogenen »bombastischen Orden« verliehen bekommen. David hatte seinen Orangensaft quer über den Tisch gespuckt. Auf das Wort Bombe reagierte er allergischer als je zuvor und für Ehrenplaketten, egal welcher Art, hatte er sich ohnehin nie erwärmen können.
    Aber jetzt war der Schreck vom Morgen vergessen. David musste sogar schmunzeln, als er die Kapitulationsabordnung an Bord kommen sah. Der japanische Delegationsführer Shigemitsu erinnerte ihn an Balu Dreibein. David nahm sich vor, so bald wie möglich nach Indien zu reisen, um seinen alten Freund zu besuchen – sofern Batuswami Bhavabhuti den Krieg überstanden hatte.
    Die meisten Mitglieder der japanischen Abordnung waren hohe Militärs. Sie trugen Uniformen, natürlich Orden, aber keine Schwerter. Mamoru Shigemitsu war Politiker. Er und zwei weitere Zivilisten begaben sich im Cutaway und Zylinder zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde an einen auf dem Deck des Schiffes aufgestellten Tisch. Exakt um neun Uhr vier signierte er die Urkunde, die Japans Niederlage besiegelte. Damit waren die Kriegshandlungen zwischen dem Land der aufgehenden Sonne und den alliierten Mächten offiziell beendet.
    In den folgenden Wochen lebte David im Kaiserpalast. Hirohito litt unter völliger körperlicher Erschöpfung, einer leichten Gelbsucht und Depressionen. Die letzten Jahre hatten ihm mehr abverlangt als vielen anderen Menschen. Eine Selbstmordwelle im Oberkommando von Armee und Flotte machte ihm zusätzlich zu schaffen. David war mit dem langen Schweigen des Tennos über die verheerenden Machenschaften der Militärs ganz und gar nicht einverstanden, er sagte ihm das auch mehrmals, dennoch wollte er jetzt dem Freund Hirohito helfen, keinem gescheiterten Monarchen.
    »Du darfst dir nie wieder von deinen Höflingen auf der Nase herumtanzen lassen, Hito-kun«, sagte er eines Morgens im Dezember. Auch Nagako und der zwölfjährige

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