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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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besprach, erschien ein abgehetzter Bote und flüsterte Kido etwas ins Ohr. Der Geheimsiegelbewahrer erstarrte. Mit fahlem Gesicht gab er die Nachricht an David weiter: Unruhen seien ausgebrochen; vielleicht nur ein Gerücht; man könne noch nichts Genaueres sagen.
    Sobald der Kaiser die Aufnahme beendet hatte, drängte ihn David, schnellstens in den Palast zurückzukehren. Er hatte kein gutes Gefühl.
    Wenige Minuten später stiegen sie an einer Seitentür des Ministeriums in den Rolls-Royce ein. Kido hatte sich bereits im Gebäude verabschiedet. Die schwere Limousine des Kaisers rollte ungehindert durch die dunklen Haine des Palastbezirks zur Bibliothek zurück. Dort empfing sie eine besorgte Kaiserin.
    Nachdem bis auf wenige Vertraute des Kaiserpaares die Hofdienerschaft den Raum verlassen hatte, fragte Nagako verstört: »Was ist geschehen?«
    »Wir wissen es selbst nicht so genau«, antwortete Hirohito.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn die kaiserliche Garde revoltiert«, fügte David mit ernstem Gesicht hinzu. »Sie werden Gerüchte von der bevorstehenden Kapitulation aufgeschnappt und sie als unpatriotische Entscheidung der Politiker fehlgedeutet haben.«
    »Aber ich habe es so gewollt«, sagte Hirohito erbost.
    David sah ihn traurig an. »Sie sind es einfach nicht gewohnt, dass du deine Meinung äußerst, Hito-kun.«
    Der Kaiser blickte ratlos vor sich hin. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Mit einem Mal sagte er: »Wir hätten Baron Kido nicht allein in seine Gemächer zurückkehren lassen sollen. Er wollte sich zu Bett begeben. Wenn die Rebellen ihn finden, könnte das sein Ende bedeuten.«
    Obwohl die Situation alles andere als komisch war, musste David lächeln. Sein Freund, der Nachkomme Amaterasus, schien sich mehr um den eigenen Geheimsiegelbewahrer als um sich selbst zu sorgen. Koichi Kido war ihm in den letzten Tagen eine große Stütze gewesen.
    Kaum einer hatte sich so wie er für den Frieden eingesetzt. Sollte ihm das jetzt zum Verhängnis werden?
    »Kido ist ein schlauer Fuchs. Er wird sich schon zu helfen wissen«, beruhigte David den Kaiser.
    Hirohitos Gesicht blieb noch für einen Augenblick ernst, aber dann lächelte auch er. »Du hast Recht. Hoffentlich können wir durchhalten, bis der Erlass gesendet wird.«
    »Bis heute Mittag kann noch viel geschehen. Die Rebellen werden alles daransetzen, die Schallplatte mit der Ansprache in die Hände zu bekommen.«
    Alle im Raum tauschten besorgte Blicke.
    Bald trafen Nachrichten ein, die Davids Vorahnungen bestätigten. Von Fanatikern angeführt hatte die kaiserliche Garde den Schlossgraben überschritten und schwärmte im Palastbezirk aus. Glücklicherweise kamen die Rebellen im Dunkeln nicht besonders gut voran. Sie hatten zu wenig Taschenlampen dabei.
    »Ich kann es nicht glauben!«, hauchte Hirohito. »Ich glaube einfach nicht, dass mich meine Männer verraten!«
    »Werden sie uns töten?«, fragte die Kaiserin seltsam gelassen.
    »Ich denke nicht, Nagako-chan«, bemerkte David nach kurzem Überlegen. »Ihnen geht es hauptsächlich darum, die Radiosendung zu verhindern. Vor dem Tenno haben sie viel zu großen Respekt. Vermutlich werden sie sich damit zufrieden geben, das Gebäude zu umstellen, damit ihr nicht weglaufen könnt. Größere Sorgen mache ich mir im Augenblick um die Schallplatte.«
    Das Objekt der Begierde lag auf dem Besprechungs- und Lesetisch der Bibliothek.
    In diesem kritischen Moment bewies Nagako einmal mehr ihren Einfallsreichtum. Sie schüttelte die Angst ab und sagte: »Gräfin Shida könnte die Aufnahme doch hinausschmuggeln.«
    David nickte bewundernd. Die Gräfin Sanae Shida war eine der Hofdamen der Kaiserin. »Ein schlauer Vorschlag, Nagako-chan. Die Gardisten werden einer Frau etwas derart Heldenhaftes nicht zutrauen.«
    Die Kaiserin bedankte sich für das Lob mit einem schüchternen Lächeln. »Würdet Ihr das für den Tenno tun?«, fragte sie daraufhin ihre Hofdame.
    Was sollte die Gräfin schon antworten? Ehrfürchtig neigte sie das Haupt und stimmte mit piepsiger Stimme dem gefährlichen Unternehmen zu.
    Nagako erklärte Shida dann genau, was sie tun sollte: die Schallplatte in den Falten ihres Kimonos verstecken, sie durch den Palastgarten zum Hofdamenpavillon tragen und dort in dem Safe verstecken, der sich hinter der alten chinesischen Schriftrolle verbarg.
    Gräfin Sanae Shida verneigte sich. »Ich werde noch zwei weitere Hofdamen wecken, damit wir gemeinsam das Geheimnis der Schriftrolle bewachen

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