Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Abkommens. Bestimmt erinnern Sie sich jetzt.«
Wieder zögerte Papen, gab sich redlich Mühe, den Worten des Reporters einen Sinn abzugewinnen, aber dann schüttelte er den Kopf. »Das ist unmöglich, Herr Vauser. Zu dieser Zeit habe ich mich in Wien aufgehalten.«
Jetzt hilft nur noch der Frontalangriff. »Dann ist Ihnen aber sicher noch Lord Belial im Gedächtnis.«
Für einen Moment weiteten sich Papens Pupillen. Wie ein fernes Wetterleuchten schien eine Erinnerung in seinen Augen aufzuflackern. David wappnete sich für eine Lüge, aber als Papen endlich antwortete, er kenne keinen Aristokraten dieses Namens, hielt er es unzweifelhaft für die Wahrheit. Allerdings wurde er nun ungehalten. Was diese seltsame Fragerei solle, verlangte er zu erfahren. Sich an die Stirn fassend, klagte er mit einem Mal über heftige Kopfschmerzen. Er leide sehr unter dem Tod des Papstes und habe wirklich kein Verständnis für derart seltsame Journalistenspiele.
David sah schon sämtliche Felle davonschwimmen. Jetzt half nur noch die Holzhammermethode. »Besitzen Sie einen goldenen Siegelring?« Wenn du lügst, sollst du eine rote Nase bekommen.
Papen machte sich nicht zum Clown. »Nein. Ich habe ein paar Ringe, auch goldene, aber keinen Siegelring. Und außerdem weiß ich nicht, was das Ihre Leser angeht. Wollen Sie mich nun als Nächstes nach meinen Manschettenknöpfen fragen?«
»Verzeihen Sie, Herr Papen. Die Damenwelt ist verrückt nach solchen kleinen Details. Aber was mich wirklich noch interessiert, sind die großen Persönlichkeiten des Deutschen Reiches, die Ihren Lebensweg gekreuzt haben. Mit welchen dieser führenden Männer, abgesehen von Adolf Hitler natürlich, haben Sie persönlich verkehrt?«
»Ich kenne sie alle: Hess, Göring, Goebbels, von Schirach, Heydrich, von Ribbentrop, Himmler…«
»Das ist ja wirklich beeindruckend!«, unterbrach David den missgelaunten Papen. »Ein Blatt wie Der Weg sieht seine hehre Pflicht auch darin, solche Männer zu würdigen, deren Verdienste in der Öffentlichkeit wenig Beachtung fanden. Gab es da vielleicht jemanden von Einfluss, der heute längst vergessen ist?«
Papens finstere Miene hellte sich wieder etwas auf Irgendwie schien er diese Frage als Herausforderung aufzufassen. Nach einer Weile begann er langsam zu nicken. »Da fällt mir eigentlich nur einer ein. Ein SS-Obersturmbannführer, der sich unter Reinhard Heydrich hochgedient hatte. Das letztendliche Resultat seiner Arbeit kann ich nicht gutheißen, aber die bedingungslose Disziplin, die er an den Tag legte, und die von ihm erreichte Effizienz verdienen Bewunderung.«
David fühlte seine Knie weich werden. »Sie sagten, er sei ein Mitarbeiter Heydrichs gewesen?«
Papen nickte. »Der Mann stand im Dienst des Reichssicherheitshauptamtes. Sein Name lautet Adolf Eichmann. «
»Das ist er! Oh, ich Hornochse! Da suche ich diesen Logenbruder, stoße x-mal auf seinen Namen, aber bin zu vernagelt, um ihn zu erkennen.«
»Nun beruhige dich doch, David. Wie kannst du dir mit einem Mal nur so sicher sein? Vielleicht ist Eichmann ja gar nicht der Gesuchte.« Lorenzo schüttelte den Kopf und wischte sich den Regen aus dem Gesicht.
Wieder einmal nieselte es. Trotzdem hatte sich David geweigert, einen Bus oder ein Taxi zu nehmen. Er wollte keine neugierigen Ohren um sich herum haben und er brauchte die Luft in seinem erhitzten Gesicht. Sie liefen schnellen Schrittes Richtung Palatin, jenem Hügel, dessen Name David schon einmal getäuscht, ihn zuletzt aber doch auf die richtige Fährte gelenkt hatte. Alles schien sich zu wiederholen, nur mit anderen Vorzeichen.
Der Abschied von Papen war kurz und – für David – durchaus nicht schmerzlos abgegangen. Wie hätte er dem Mann, den er noch immer für den Hauptschuldigen an Rebekkas Tod hielt, auch einen freundlichen Gruß entrichten können? Also beschränkte er sich auf die zweideutige Wendung: »Möge die Nachwelt über Sie urteilen, wie Sie es wirklich verdienen.«
Während Franz von Papen sein fatales Handeln in diesem Wunsch bestätigt sah, stieß ihn David wie einen Verfluchten aus seinem Leben, wie einen, dessen Namen er nie wieder auszusprechen gedachte. Sein Gewissen erlaubte ihm keine andere Bestrafung für diesen zwiespältigen Menschen. Lorenzo begrüßte die Entscheidung, wenn ihn auch die Entschlossenheit seines Freundes in Bezug auf Adolf Eichmann ratlos machte.
»Aber verstehst du denn nicht?«, ereiferte sich David. »Ich habe diesen Eichmann monatelang
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